Zum Auftakt seiner Welttournee schrieb Jason Derulo im September auf Instagram, er habe sein ganzes Herz in diese Show eingebracht. Dass jedes Konzept und jedes Kostüm eine Erweiterung dessen sei, wer er ist, und wer er erstreben würde, zu sein.
Mit einer zugegebenermaßen nicht zu geringen Erwartungshaltung, die eine Bühnenshow der Superlative mit beispiellosen Effekten, großartige Gesangs- und Tanzeinlagen vorsieht, geschürt durch diese philosophischen Worte und auch die mediale Großankündigung des tanztalentierten Weltstars, ging es also am Sonntagabend in die Olympiahalle.
Der Weg dorthin war gepflastert mit emotional instabilen, dafür make-up-technisch umso stabileren Teenager-Mädchen und bestätigt damit die doch klammheimlich gepflegten Vorurteile über das Publikum, das zu 40% Fan-Girls, 10% unfreiwillig angeschleppten Boyfriends und (jedoch unerklärlicherweise unsichtbaren) 50% Elternteilen bestehen muss.
Die Mädchen scheinen nicht zuletzt auch wegen des 16-jährigen norwegischen Zwillings-Duos Marcus&Martinus gekommen zu sein, die als eine von drei Vorbands für einige hysterische Tränchen und zahlreiche Snapchat-Stories sorgte.
Knapp drei Stunden nach Einlassbeginn, noch einem Vor-DJ später, hat nun auch Jason Derulo Zeit, sich um seine Mädchen zu kümmern. Eine konfuse Songauswahl aus seinen größten Hits wird untermalt durch die noch konfusere Kostümshow, die für Mr. Derulo wohlgemerkt sein Innerstes und Erstrebenswertes unterstreichen soll. In einem Opening Movie mimt er den naturverbundenen Stammeshäuptling, lässt dann zu Beginn der Show sein Sixpack spielen, zelebriert sich konträr in einer royalen Robe, einem weißen Ledermantel und einem silberfarbenen Glitzerblazer mit Glitzer-Helm à la Daft Punk, um nur eine Auswahl zu nennen.
Grob gesagt, wird man das Gefühl nicht los, dass sich Jason eigentlich nicht so recht zwischen seinen 2Sides, dem archaischen Jäger und dem neuzeitlichen Popstar, entscheiden will. Sein Erfolg mag vielleicht auf seinem Frauenheld-Image basieren, der in seinen Texten sexuelle Anspielungen nicht scheut und seine Präferenz des weiblichen Geschlechts immer wieder aufs Neue unter Beweis stellt; nichtsdestotrotz sollte er nicht vergessen, dass er tatsächlich ein gesangliches und tänzerisches Ausnahmetalent zu sein scheint – kann man ihm bei der Östrogenlastigkeit seines Publikums aber nur schwer verübeln. Die eine – von den Tänzerinnen umworbene – Seite des Jason versucht auf der Jagd nach Erfolg, durch körperliche Selbstinszenierung dem pubertären Instinkt des Publikums zu imponieren. Die andere Seite hat diese erste Seite allerdings überhaupt nicht nötig: Derulo ist ein geborener Showmaster, der sein Publikum allein mit authentischem und gefühlvollem Gesang um den Finger wickeln könnte.
Im Großen und Ganzen ist Jason genau der großartige Sänger und der talentierte Tänzer, als der er in der Welt bekannt wurde, dem allerdings eine ganze Dosis weniger „Show“ bestens bekäme und die die Bandbreite des Publikums etwas streuen könnte.(SN)