Jazz, Baby! – Parov Stelar Trio – „The Invisible Girl“ – Swing und Elektro vereint zu einer einzigartigen Klangkulisse

ParovStelar_CoverMünchen, 24.03.13.   Der Trend der Zeit: Retro, Hipster, Oldschool oder einfach nur nostalgisch. Irgendwann fängt genau das an, der Masse auf die Nerven zu gehen, da sich Nischen zum Mainstream entwickeln und bekannterweise ist Mainstream irgendwann auch mal wieder „out“ oder nervt so sehr, dass man dafür nicht mal mehr einen ganzen Satz, sondern lediglich nur noch ein verächtliches Schnauben übrig hat.

Doch Parov Stelar hat sich dem Trend zwar angeschlossen, macht aber sein ganz eigenes Ding. Auch, wenn es zur Zeit wieder total „hip“ ist, Elektrobeats mit Jazz und Swing zu mischen, entstand diese seine Musik schon eine ganze Weile, bevor die Kids angefangen haben, sich in Omas und Opas Klamotten zu werfen und Jute-Beutel und Undercut zu tragen. Seine erstes Album „Shadow Kingdom LP“ veröffentlichte Parov Stelar nämlich bereits 2001. Da waren Schlaghosen und Plateau-Schuhe noch relativ modern. Und US-Hip Hop.

Sphärisch fängt es an, das neue Album von Parov Stelar, dem österreichischen DJ und Produzenten. Ein Trompetensolo erklingt, im Hintergrund ein leiser, elektronischer Beat, beinahe angehauchte Gitarrenklänge. Es wabert, gewinnt an Fahrt und entwickelt sich zu einer eindrucksvollen, tanzbaren Nummer. Charakteristisch hier der partielle Gesang, bei dem man den Text fast nicht versteht und die Musik im Vordergrund bleibt. Zwischendurch spielerische, jazzige Piano-Passagen,  die eingängiger und witziger nicht sein könnten. Man meint fast, sich in einer Trance zu befinden, so einnehmend ist „La Calatrava“ hier. Klänge, die an Fernweh erinnern, an spanische Städte, und die vielleicht auch ein wenig nostalgisch wirken sollen. Pseudo-tiefschürfende Gedankenfülle wird hier vergeblich gesucht, denn dafür ist die Musik zu ehrlich, zu speziell, um noch irgendwen auf den Plan zu rufen, der in ihr extrem Verborgenes zu erkennen meint.

Titelsong „The Invisible Girl“ wartet schon mit mehr Elektro auf und enthält den Beat, der für Parov Stelar charakteristisch ist. Auch hier liegt der Fokus wieder auf der Big Band, wiederum besonders auf den Trompeten. Der Sound wiederholt sich auffallend oft, was mit der Zeit enervierend wirkt, da man sich wünscht, dass es voran geht, dass da noch etwas kommt. Doch hier bleibt er auf eine Ebene, zwar durchaus tanzbar und Sie haben Wiedererkennungswert, das kann gesagt werden. Die Melodien bleiben im Ohr, machen gute Laune und man möchte sofort aufspringen und zu diesen tanzen.

„Doctor Foo“ erinnert am Anfang eher an harte Techno-Beats, die durch jazzige Rhythmen und Big Band abgelöst werden, jedoch den Eindruck von dezenter Einfallslosigkeit erwecken. Mitten im Song wird die Lautstärke überraschen herunter gedreht und es geht mit dem gleichen Sound weiter. Eine im Dreiklang auf-und absteigende Melodie, gespielt vom Big Band-Essemble, bestimmt den Titel, leichter Gesang wird untergemischt, typische Disko-Beats „verfeinern“ das Lied. Bleibt ein wenig im Ohr, ganz leicht an Dubstep erinnernd, bevor es weiter zu „Menage A Trois“ geht. Absichtlich falsch geschrieben? Es fehlt der französische Accent bei „Ménage“. Hier stellen sich einige Frage bei dem Titel dieses Songs in Bezug zum generellen Titel des Albums. „The Invisible Girl“ – ein Mädchen, eine Frau, die als solches bezeichnet wird oder Unerfahrenheit in Bezug auf Sexualität bei diesem im Vierviertel-Takt geschriebenen Song?

Schneller Beat. Eine Frauenstimme singt ein verständliches „Move“, der Rest des Textes geht im Sound unter. Man meint förmlich, die Federboas, den Zigarettenrauch und die dubiose Atmosphäre einschlägiger Jazz-Clubs vor dem inneren Auge zu sehen.

Sexy, unergründlich und gefällig geht der Song voran, er endet mit einem Saxophon-Solo, ein Instrument, welches bekanntlich Jazz und sexuelle Anziehungskraft aussagelräftig demonstriert. Gut eingesetzte Instrumentierung ist eine Stärke, die sich auf dem Album eindrucksvoll durchsetzt.

„The Fireface“ erinnert an vergangene Zeiten, ein wenig an die „Golden 20ies“, in denen sich niemand um Geld, die Weltwirtschaftskrise oder gesellschaftliche Probleme scherte. Es wurde bis in die frühen Morgenstunden gefeiert, das Einzige, was zählte, waren Rang, Name und Ruf. Und natürlich die großen Scheinchen, die in horrenden Mengen über die Tresen der Bars wanderten. Oder direkt in die Höschen leicht bekleideter Damen, die den Herren mit ominösen Schnauzern und goldenen Kettchen am Kunmerbund ihre Drinks mit Schirmchen servierten.

Gekonnt, spaßig und wiederum sehr tanzbar. So geht es weiter mit „At The Flamingo Bar“ und „La Divina“. Hier ein paar Reminiszenzen an „Love Pt. 1“ vom Album „Shine“, die typischen Parov Stelar-Klänge. Auffallend bei diesem Album ist jedoch, dass weniger gesungen wird, sondern der Fokus mehr auf den Instrumenten und dem gewitzten und beinahe ironischen Einsatz dieser liegt. Zufall oder gar ausgeklügelte Intention und Berechnung?

Bei den letzten drei Songs fragt man sich jedoch, ob die Ideen ausgegangen sind, da diese lediglich eine Smooth Version und zwei Club Edits darstellen der Titel „Doctor Foo“, „Menage A Trois“ und „Fireface“ darstellen. Ein wenig bleiern und redundant und die Frage nach der Intention dahinter. Dürfen Club Edits auf einem Album definitiv nicht fehlen? Warum nicht noch drei weitere Songs? Es gab Zeiten, in denen sich auf Album an die 20 Tracks befanden, einer anders als der vorherige, es gab Abwechslung. Und es gab keine umgemischten oder überarbeiteten Versionen vom Titel Nummer drei oder vier. Manko, Fazit: Lahm.

Doch das soll nicht heißen, dass die letzten drei Songs das komplette Album überschatten, haben sie ja auch was für sich und wurde mit den vorhergehenden Nummern ordentlich vorgelegt und bewiesen, dass Parov Stelar mit Band sowohl tanzbar, eingehend und stimmungsvoll ist. Der Trend dieser Zeit geht wieder ganz klar in Richtung dessen, was mal sehr „en vogue“ war – damals, als die Musik-Welt noch in Ordnung und nicht von kommerzialisierten Sounds überschwemmt war. Damals, als es noch keine Texte und Melodien gab, die in den Ohren wehtaten, weil sie alle gleich klingen und auf „Sex sells best“ abzielen.

Ein gelungenes Album, welches auf Swing-und Elektroparties nicht fehlen wird und darf.(A.E.)

Parov Stelar Trio “The Invisible Girl” – VÖ: 22.03.13 – Etage Noir Recordings / Soulfood