LifeOnStage.Net trifft: The Glamcore Motherfuckers

 

 

Glitzer, Glam und Core: Wenn man Musik macht, erzählt man automatisch Geschichten

Was kann man von fünf Typen erwarten, die sich White Put Inn, Dirt “Dirty” Black, Johnny Long, Vince “Magic” Dickstick und Dick Hardon nennen und in Spandex, Bandana und Muscle-Shirts auftreten? Glamrock? Hardrock? Hairmetal?

Was wäre, wenn sich diese Vollpfosten dann auf einmal als Vertreter von Metalcore, Post-Hardcore und einem Hauch Nu-Metal präsentieren und dessen harte Seite in Form von fetten Riffs, fiesen Breakdowns und aggressiven Vocals durch schöne Melodien zum Mitsingen und gefühlvollen, träumerischen Passagen verpacken?

Die Motherfuckers haben diese Kombination aus Sleeze und Metalcore liebevoll Glamcore genannt und damit ein neues Genre in der Metalwelt geschaffen. Abgerundet wird diese Kombination live durch eine ordentliche Portion anzüglichen Humors, einer Wand aus Gitarre und Bass, treibenden Drums und Mikrophonmalträtierungen, die einem bis ins Knochenmark fahren.

Wir haben uns mit Johnny Long (Shouts, Gesang) und Dirt Black (Bass) von The Glamcore Motherfuckers, welche alle unter Pseudonymen auftreten, getroffen und mit ihnen über die Entstehung der Band gesprochen. Warum sie finden, dass Kunst immer etwas Melancholisches anhaftet und warum es wichtig ist, man selbst zu bleiben, erklären sie im Interview.

Wie seid ihr zur Musik gekommen?

Johnny Long: Ich habe eigentlich schon immer Musik gemacht. Das ist bei uns in der Familie veranlagt – mein Vater ist Musiker, meine Mutter ist Musikerin. Ich habe sehr früh angefangen, klassisches Piano zu spielen und von da aus bin ich dann weitergekommen und habe Gitarre gespielt. Irgendwann habe ich gemerkt, es wäre cool, Metal zu machen. Ich war allerdings noch nicht gut genug. Dann habe ich angefangen, Amon Amarth, Six Feet Under und Cannibal Corpse mitzujammen und mir die Technik angeeignet.

Dirt Black: Bei mir war es ähnlich wie bei Johnny. Ich bin durch Zufall Bassist geworden, denn eigentlich habe ich Klavier gelernt. Irgendwann habe ich eine Zeitungsannonce gesehen, dass jemand einen Bass verkauft. Den hab ich gekauft und bin drauf hängen geblieben.

Kommen wir auf eure Songs zu sprechen. Was ist für euch das Wichtigste beim Songschreiben und welche Probleme treten auf?

Johnny Long: Songwriting läuft bei uns so ab, dass alle am Song mitarbeiten, manchmal auch nur einer. Aber jeder trägt seinen Teil dazu bei. Dirty erfindet gerne Geschichten. Beim Songwriting ist es uns wichtig, dass es ernst zu nehmende Texte sind. Wir haben zwar auch humorige Passagen, aber die Texte sollen zum Nachdenken anregen. Zum Beispiel „Nightlights.“ Da ist es nicht auf den ersten Blick klar, was gemeint ist. Uns ist es wichtig, eine Geschichte dabei zu erzählen. Als Songwriter ist man ein Geschichtenerzähler.

Dirt Black: Die Texte müssen zur Musik passen. Die meisten unserer Texte sind ziemlich traurig. Es geht um zwischenmenschliche Dinge, die nicht immer positiv sind. Viele Texte von uns gehen um alltägliche Dinge – wenn Menschen nicht mehr mit ihrem Leben klarkommen oder in irgendetwas hineinschlittern, wo sie nicht mehr rausfinden.

Ihr habt es gerade erwähnt: Ihr wollt Geschichten erzählen und das ist sehr wichtig bei der Musik. Wie wollt ihr diese Texte von eurem Publikum wahrgenommen wissen?

Johnny Long: Wir haben die Lyrics auch auf unsere Demo gepackt, damit die Leute diese nachvollziehen können. Wir haben bei uns zwei große Faktoren: Einmal die Show und dann die Texte, über die die Leute nachdenken können. Es sind viele verschiedene Themen, die wir anschneiden. Es ist uns wichtig, dass die Leute, die sich länger mit unserer Musik auseinandersetzen, die Texte auch verstehen. Ich versuche meinen Gesang so rüberzubringen, dass man mich durchaus noch versteht und das dann auch dem Publikum näherzubringen.

Dirt Black: Es ist beim Shouten nicht gerade einfach, dass man den Text versteht. Uns haben einige Leute schon gefragt, warum wir shouten, weil man den Text nicht immer versteht. Ich finde, gerade beim Metal, dass man mit dem Shouten viele Emotionen ausdrücken kann. In unseren Texten geht es vor allem um Verzweiflung und gerade mit dem Shouten kann man diese sehr gut wiedergeben.

Das Shouten ist hier ein gutes Stichwort. Ihr seid eine Glamrock-Band, ihr nennt es Glamcore. Wie seid ihr auf die Idee gekommen? Interessant hierbei ist die Rolle, die ihr auf der Bühne spielt, denn ihr schlüpft ja mit euren Kostümen in Rollen.

Dirt Black: Vince “Magic” Dickstick und Dick Hardon und ich früher in einer Melodic Metal-Band gespielt haben. Als es dann zu zwischenmenschlichen Problemen kam, haben wir uns aufgelöst. Damals hatten wir noch einen anderen Shouter und es war so, dass wir auf dem Sofa unseres Gitarristen saßen und uns gefragt haben, warum wir nicht einfach wieder Musik machen. Somit haben wir von vorne angefangen und später kam Johnny dann auch dazu.

Johnny Long: Das mit den Leggings gab es schon vorher, das mit dem Glam ist mehr oder weniger auf meinen Mist gewachsen. Irgendwann hatte ich die Idee mit dem Namen: Wir machen Core und wir sehen aus wie Glam-Metaler. Warum nennen wir unsere Musikrichtung nicht Glamcore und treten dementsprechend auf? In jeder der Figuren, die wir auf der Bühne verkörpern, steckt auch etwas von uns. Man kann sagen, dass es vielleicht unsere dunkleren Seiten sind. Das, was von uns übrig bleibt, sind die Glamcore Motherfuckers.

Dirt Black: Ja, aber eigentlich sind wir ganz normale Leute. Wir studieren, gehen zur Schule oder arbeiten. Klar, wenn wir uns verkleiden, sind wir schon anders und machen auf der Bühne unser Ding.

Ihr spielt mit einer Menge Klischees. Inwieweit ironisiert ihr eure Musik und inwieweit nehmt ihr sie noch ernst? Inwieweit darf Ironie in die Musik reinspielen?

Dirt Black: Unsere Show dient dazu, den Menschen einen schönen Abend zu machen. Ich komme mit Leggins und Glitzer auf die Bühne. Wir wollen, dass die Leute mit einem Schmunzeln von unseren Konzerten gehen und sagen „Die waren musikalisch gut, es war etwas Anderes und sie sahen auch noch witzig aus.“ Wir möchten den Leuten damit in Erinnerung bleiben. Wir wollen sie bespaßen, aber auch zeigen, dass wir es musikalisch ernst meinen. Aber mit Hinsicht auf unsere Verkleidung nehmen wir uns selbst nicht allzu ernst.

Johnny Long: Es macht unglaublich Spaß, uns auf der Bühne komplett daneben zu benehmen. Es stört niemanden. Und wenn es jemanden stört, dass soll er uns nicht hören.

Ihr sagt auf der einen Seite, dass ihr dem Publikum etwas bieten wollt, aber eure Musik schon ernst zu nehmen ist. Inwieweit darf denn Musik ästhetisch sein, inwieweit ist es eure?

Johnny Long: Unsere Musik hat eine gewisse Ästhetik und grundsätzlich gibt es diese in der Musik. Bei uns spielt sie auch eine große Rolle. Unsere Musik soll nicht bloß Lärm sein, weil wir einen Anspruch an diese haben.

Dirt Black: Ich habe nicht immer nur Metal gemacht, eine Zeit lang habe ich auch andere Musik gemacht. Ich habe überlegt, was mir musikalisch am meisten liegt. Für mich geht bei mir Metal sehr gut.

Johnny Long: Es ist so, dass wir uns ein Stück weit noch ausprobieren. Metal ist unheimlich vielfältig. Man vergisst oft, dass Metal stark in der alten Musik verwurzelt ist und man hat sehr viele unterschiedliche Möglichkeiten, sich in den verschiedenen Arten des Metals auszudrücken. Es ersetzt für mich viel andere Musik. Das alles kann ich im Metal finden.

Wie dürfen The Glamcore Motherfuckers klingen und wie nicht?

Johnny Long: Unsere Songs sind alle unterschiedlich aufgebaut, vor allem, weil wir auch alle aus verschiedenen musikalischen Richtungen kommen. Wir haben einen Stonerrocker, zwei Leute aus dem Melodic Death Metal, Viking Metal oder auch Oldschool. Dadurch, dass wir diese verschiedenen Genres haben, probieren wir auch viel an unserem Sounds aus. Wir haben auch schon in die Richtung Dubstep überlegt, was zu produzieren und zu schauen, ob es zu uns passt. Wir werden sehen, was unseren Glamcore am Ende ausmacht. Wir haben Rap eingebaut und wir werden weiterhin viel ausprobieren.

Dirt Black: Wir haben uns viel zusammengesetzt und Metal ist bei uns auf jeden Fall der Hauptbestandteil. Wir haben Nu-Metal mit dabei, dann den Glam-Metal.

Das Zitat „Art never came from happiness“ trifft ein wenig auf eure vorherigen Aussagen zu. Ihr habt gesagt, dass eure Texte oft traurig sind, verzweifelt. Inwieweit könnt ihr das Zitat bewerten oder wie passt das zu eurer Musik?

Dirt Black: Verzweiflung ist vielleicht zu viel. Es ist vor allem Wut. Aber grundsätzlich negative Gefühle. Ich persönlich finde es viel befreiender, darüber Musik zu machen. Man macht Musik ja auch oft, um etwas abzubauen. Wir drücken Dinge aus, die uns bewegen, faszinieren, traurig oder wütend machen. In jedem Text steckt etwas von mir drin. Dinge, die ich erlebt habe, Dinge, die mich berühren. Es ist ja auch nicht so, dass man immer positiv und glücklich durch’s Leben geht. Und die Musik bietet uns die Möglichkeit, das auszudrücken.

Johnny Long: Ich sehe es genauso. Ich denke, dass die meiste Kunst aus einem Gefühl des Unglücklichseins heraus resultiert. Aber eben auch Kunst, die eine gewisse Geborgenheit in die  Verzweiflung bringen kann.

Ihr habt vor Kurzem eure Demo rausgebracht. Was könnt ihr über den Schaffensprozess erzählen?

Dirt Black: Es war eine harte Woche. Johnny Long: Wir haben uns im Probenraum eingeschlossen und sind nachts um drei, vier Uhr rausgekommen. Es hat Spaß gemacht, war aber auch wahnsinnig anstrengend. Es hat uns als Band immens zusammengeschweißt. Aber es hat auch dazu geführt, dass wir uns gegenseitig extrem genervt haben uns uns gegenseitig die Fresse einschlagen wollten. Jeder ist immer mal wieder von Kleinigkeiten gefrustet und man ist gereizt. Das Beste war, dass wir auch spontan beim Aufnehmen noch Texte umgeschrieben haben. Es hat uns sowohl zusammengeschweißt als auch in den Wahnsinn getrieben.

Dirt Black: Was ich dann sehr an unserer Band schätze, ist, dass wir wie eine Familie sind. Die Woche war gut und auch entscheidend. Witzig war, dass wir zwei Tage nach der Fertigstellung der Demo unseren ersten wichtigen Gig hatten. Und es ist so viel hängen geblieben. Vor allem haben wir auch die Grenzen der anderen erfahren können. Wir machen es ja auch, weil wir Spaß daran haben.

Ihr habt gerade gesagt, dass euch diese Woche extrem zusammengeschweißt hat. Da kommt die Frage nach Konkurrenzdenken oder Konkurrenz allgemein auf. Gerade in Kassel, wo die Metalszene nicht klein ist.

Johnny Long: Es gibt immer so einen Gedanken, dass man schauen muss, wo man am Ende bleibt. Hier in Kassel ist es so, dass man sich untereinander kennt und man auch irgendwie befreundet ist. Es sind Kollegen, mit denen es Spaß macht, abzuhängen bzw. Gigs zu spielen oder auf Konzerten zu sein. Und da wir uns alle vom Bekanntheitsgrad nicht viel nehmen, kommt auch nicht so viel Konkurrenzdenken auf. Wir können damit sehr entspannt umgehen, da wir uns auch im Genre ganz gut abgrenzen, auch was die Auftritte ansich angeht. Bei anderen Metalbands geht es vor allem immer darum, was „true“ ist. Das hat man vor allem im Hardcore-Bereich. Bei uns ist das nicht so.

Dirt Black: Unsere Bühnenshow ist witzig, aber das Gefühl, mit dem wir die Musik geschrieben haben, leitet uns nicht in so ein Konkurrenzdenken. Da ist auch nichts, was uns im Weg steht. Wir nehmen uns selbst nicht allzu ernst und damit kommt eine solche Art zu denken nicht auf.

Mit welchem Film würdet ihr eure Musik beschreiben?

Johnny Long: Tenacious D „The Kings of Rock.“

Dirt Black: Nee. Ich würde „Texas Chainsaw Massacre“ nehmen. Wir fanden „Rock Star“ von Stephen Herek immer ganz cool. Ja, der Film hat uns sehr inspiriert.

Was könnt ihr über eure Pläne in 2014 sagen?

Johnny Long: Wir haben eine Menge Pläne. Viele Gigs, die wir spielen werden und mehrere auswärtige Sachen als im letzten Jahr. Wir waren im letzten Jahr in der Findungsphase, 2014 können wir das ausbauen. Ein paar Sachen kann ich leider noch nicht sagen, aber auf unser Publikum warten einige Überraschungen.

Vielen Dank für das Interview.

(A.K.)  – Foto: ©Phileas Schönberg