MUSE – Live in Las Vegas

MUSEAngst und Schrecken und Superlative in Las Vegas

Mit „Simulation Theory“ hat das britische Trio das achte Studioalbum veröffentlicht, welches eingefleischten Rockmusikhörern und Fans der ersten Stunde beim jungfräulichen Durchhören ausnahmslos das Lächeln aus den Mundwinkeln wischen kann. Zwar sind die 11 Lieder als nun vollständige Transformation der früheren, mittlerweile eingestaubten Indie-Progrock-Nummern der Band zu einem farbenfrohen und erwachsenen Schmetterling zu begreifen. Mit all den Synthesizern und effektverunreinigten Instrumentationen, machen es Muse einem aber auch schwer, das stets so herausragende Handwerk des Singens, Gitarrenspielens und Schlagzeugzertrümmerns noch ungefiltert zu identifizieren. Kein einfaches Album eben.

Perfekt passte zu dieser äußerst pathetischen Inszenierung der heutige Auftrittsort im künstlich angelegten Glücksspieler-Paradies Las Vegas. Viel Lichtergedöns hatte man bereits tagsüber ertragen und wurde das erste Mal positiv überrascht, als die Show auf einer oldschool Bühne ausgetragen wurde. Zu Beginn stampften Statisten mit Posaunen bewaffnet, synchron im Stechschritt bis an den vorderen Bühnenrand und steckten dabei in beleuchteten Overalls. So viel Pathos musste sein. Matt Bellamy wurde durch eine Luke dann an die Oberfläche gebracht und mit „Pressure“ vom neuen Longplayer setzten Muse eine erste Duftmarke in Sachen „geiler Scheiß“. Insgesamt kamen alle neuen Tracks heute Abend sehr dynamisch und ungekünstelt daher. Diese Rohheit hätte man sich beim Albummix auch gewünscht. Aber sei´s drum: die Highlights markierten ohnehin die alten Gassenhauer, von denen es genug auf die Ohren gab. „Plug In Baby“, „Supermassive Black Hole“, „Hysteria“ und „Time Is Running Out“ kamen wie immer in einer unwiderstehlichen Präsenz und Leichtigkeit von der Bühne, welche die normalerweise hemmende Komplexität der Kompositionen sofort vergessen ließ.

Den roten Faden in der Bühnenshow zogen heute nicht etwa übertriebene Lasereffekte und 360 Grad-Elemente. Nein, die vom Intro bekannten Nebendarsteller begleiteten so manches Stück mit einer Choreographie, im Hintergrund wurde eine LED-Wand zum Einsatz gebracht. Für Muse-Verhältnisse geradezu puristisch, aber extrem wirkungsvoll! Mit „Starlight“ wurde das reguläre Set nach 21 (!) Songs beendet. Die Zugabe explodierte in einem lange aufgestauten Orgasmus in Form eines viertelstündigen Medleys aus den besten und erhabensten Liedern der Band: „Stockholm Syndrome / Assasin / Reapers / The Handler / New Born“ – woah… Das waren die glückseligsten Minuten des Abends, als die Band auf Turbo schaltete. Hinter dem Schlagzeug wurde, ganz analog, eine Art Menschmaschine mit fiesen Klauen in Übergröße empor gezogen. Es hätte auch ein Iron Maiden-Konzert aus den Achtzigern sein können. Immer wieder öffneten sich die Lefzen dieser Requisite angriffslustig und entblößten dabei das raubtierähnliche Gebiss. Als ob Bellamy, Howard und Wolstenholme in dieser Sequenz noch einmal deutlich machen wollten, dass sie im Herzen gesetzlose Rock´n´Roller sind, die mit RnB und Elektropop nicht das Geringste am Hut haben.

Das Grand Finale fand seine Eruption traditionell in „Knights Of Cydonia“, man selbst kam schnell zu dem Ergebnis, eines der besten Muse-Konzerte der letzten zehn Jahre gesehen zu haben. Das war die zweite Überraschung: ein vermeintlich schwaches Album muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass die dazugehörige Promotour nicht überragend wird! (ODI)