Silbermond im Interview: „Musik verbindet – auch über die Sprache hinaus. Musik ist keine Analyse, sondern ein Gefühl.“

München, 19.12.12.   Silbermond waren  in München zu Gast und gaben ein grandioses Konzert in der Olympiahalle. Unsere Redakteurin Ann-Kathrin sprach vor dem Konzert mit der Band.

LifeOnStage.Net: In einem Interview habt ihr einmal erwähnt, dass jeder von euch aus einer anderen musikalischen Ecke kommt, dass ihr verschiedene musikalische Vorbilder habt. Wer ist bei euren Songs letztendlich die antreibende Kraft, wer entscheidet, wer „dirigiert“ am Ende? 

Thomas: Wenn wir Lieder schreiben, ist es nicht so, dass wir analytisch rangehen oder dass wir zum Beispiel sagen „Wir müssen jetzt in Nowis Ecke gehen“ (mit Nowi ist Andreas Nowak gemeint, Schlagzeuger der Band, Anm. d. R.). Die Musik passiert bei uns einfach. Wenn man natürlich die Einflüsse jedes Einzelnen finden will, findet man die auch, aber es ist auf jeden Fall zu großen Teilen eigenständig und man erkennt den „Silbermond-Sound“, es ist etwas, das schon eine eigenen Note hat- natürlich auch schon durch die deutschen Texte. Aber es gibt kein Tauziehen um die jeweiligen Musiksparten.

Wir sind immer schon Fans von Dynamik gewesen. Natürlich gibt es bei uns auch Lieder, die sehr intim, sehr ruhig und leise sind, aber eben auch Lieder, die laut sind und nach vorne gehen. Das mögen wir und wir lassen uns ansonsten wirklich treiben.

Wir sind für alles offen, versperren uns vor nichts. Der Weg ist das Ziel.

 

LifeOnStage.Net: Das klingt gut. Du hast gerade auch die deutschen Texte angesprochen. Ihr habt ja früher auch auf Englisch gesungen. Fühlt ihr euch in der deutschen Sprache sicherer oder wie ist der Wandel gekommen?

Andreas: Wir müssten dir einfach nur einen englischen Text vorlegen und dann wüsstest du, warum.

Thomas: Wir hatten einfach ein Schul- Englisch, dieses ganz schlechte Englisch. Dann haben wir angefangen, deutsche Texte zu schreiben und das war eigentlich ganz gut. Wir haben das ausprobiert und das hat sofort gefruchtet.

Dann sind wir dabei geblieben, weil wir uns so viel besser ausdrücken können.

 

LifeOnStage.Net: Ihr habt in der Vergangenheit auch viel im Ausland gespielt. Wie sind eure Erfahrungen mit den Fans, mit den Locations? Inwiefern unterscheidet sich das für euch signifikant von Deutschland? 

Stefanie: Bei der kleinen Mai-Tournee, auf der wir in London, Amsterdam und Paris gespielt haben, war es nicht so „Hey, wir sind Silbermond gegen den Rest der Welt, wir wollen jetzt das Ausland stürmen.“ Das war eher ein kleiner Traum, den wir uns erfüllt haben. Viele Fans, die ein Auslandsjahr gemacht haben, haben geschrieben „Kommt doch mal hierher, hier gibt es viele Leute, die deutsche Musik mögen.“ Wir haben es lange Zeit nicht geschafft, aber dieses Jahr hat es geklappt.

Es waren ganz, ganz kleine Clubs, aber es ging uns nicht darum, dass es groß war, sondern um die Erfahrung, darum, dass wir das mal ausprobieren. Wir haben auch nicht gedacht, dass wir plötzlich Songs auf Englisch machen müssen.

Wir haben vor allem die Erfahrung gemacht, dass Musik verbindet, über Sprachen hinaus. Da sind Leute auf uns zugekommen, die meinten „Wir haben kein einziges Wort verstanden von dem, was ihr gesungen haben, aber wir merken, was die Songs für eine Intension hat.“

Und das ist das, was man sich klar machen muss: Dass Musik Gefühl hat, dass es keine Analyse ist, sondern einfach ein Gefühl.


LifeOnStage.Net: Das ist ja auch genau das, was ihr gesagt habt: Dass ihr diese Fan- Bindung wollt, dass bei ihnen ankommt, was ihr in die Musik reinlegt. 

Stefanie: Genau, das war im Ausland auch so. Das war ganz gemischt. Es gab witzige und tolle Begegnungen, die wir hatten. Aber wir haben nicht gesagt, dass wir unbedingt eine Platte in England rausbringen müssen.

 

LifeOnStage.Net: Das wäre dann ja auch verfälscht, wenn ihr plötzlich was macht, was ihr eigentlich nicht selbst wollt, sondern gezwungenermaßen tut. Ihr wollt ja noch Silbermond bleiben.

Stefanie: Ja, wir wollen nichts auf Teufel komm raus machen.

Andreas: Absolut.

 

LifeOnStage.Net: Das führt uns gleich zur nächsten Frage: Was ist euch lieber: Unplugged- Sachen oder eher Hallen – Konzerte?

Thomas: Es ist schon so, dass beides etwas für sich hat, aber gerade die Mischung macht es eben aus. Wir haben dieses Jahr wirklich sehr viel erlebt: Zum Einen diese „Back to the roots“- Sache, dass wir in kleinen Clubs spielen. Am Anfang hast du ein bisschen Angst davor, weil du dir denkst „Die letzte Tour war wirklich groß, das Licht hat gestimmt, der Sound ist übelst geil, die Bühne ist hoch und alle Leute sehen was und jetzt wieder in einem Club?“ Am Ende stellst du fest, dass das Gefühl, mit dem du zum Beispiel hier in der Olympiahalle auf die Bühne gehst, das selbe ist wie in den Clubs.

Auch für die Leute ist es etwas ganz Besonderes. Im Prinzip kannst du das Mikro auch weglegen und dich so mit ihnen unterhalten, weil sich Band und Publikum nah sind. Das hat schon etwas für sich.

Bei Unplugged- Geschichten haben vor allem die Locations etwas für sich, teilweise sitzen die Leute, sie hören ganz anders zu, die Arrangements der Lieder sind ganz anders, meistens haben wir dann einen Pianisten dabei, was für die Tiefe der Songs unglaublich bereichernd ist, das macht sehr viel Spaß. Aber jetzt ist es auch geil, auf dieser Tour zu sein: Mit fettem Sound, fettem Licht. Der Vorhang fällt und da stehen auf einmal acht- bis zehntausend Leute vor dir, wo vorher beim Soundcheck noch niemand stand. Das ist auch krass.

 

Lifeonstage.Net: Ja, heute dann das Münchner Publikum. Was habt ihr für Erwartungen an heute Abend? 

Stefanie: Das ist immer ein bisschen unfair, wenn wir irgendwo ankommen. Wenn wir in Kiel spielen, sagen die Leute „Oh, ihr spielt in Kiel, da sind die Leute aber so und so“ und in München dann „Ja, in München stehen die Leute immer nur mit verschränkten Armen da“. Das Ding ist: Als wir das letzte Mal in München gespielt haben, haben wir das komplette Gegenteil erlebt.

Wenn ich eines gelernt habe: Nicht mit Vorurteile auf die Bühne zu gehen. Wir kommen und lassen ihnen die Chance, uns zu erleben.

Thomas: Wir freuen uns und sind gespannt- man weiß nie, was passiert, das ist ja das Schöne daran.

 

LifeOnStage.Net: Ihr habt ein sehr schönes Projekt ins Leben gerufen: „Fans helfen“. Inwiefern seid ihr da mit involviert und was ist da für 2013 geplant? 

Stefanie: Da das unser Projekt ist, sind wir da zu 1000% mit involviert. „Fans helfen“ sagt schon der Name: Wir glauben, dass jeder helfen kann, auch wenn zwei, drei Euro, die gespendet werden, oft belächelt werden.

Wir glauben aber, dass gerade ganz, ganz viele von diesen zwei, drei Euro am Ende sehr viel ausmachen. Das haben wir mit tollen Projekten auch schon bewiesen, die wir mit Fans zusammen gemacht haben. Wir hatten einen Kuchen-Basar oder das Auktions- Team, das Sachen von uns versteigert. T-Shirts oder Jacken von uns zum Beispiel. Es beteiligen sich auch andere Bands mit Sachen, die wir versteigern können.

Wir haben in Kamerun eine Frauen-Schule mit aufbauen können.

Hinter „Fans helfen“ verbergen sich einige Projekte, die uns persönlich sehr am Herzen liegen. Die suchen wir uns als Band aus- es sind Projekte, bei denen wir sagen „Das ist ein Thema, das uns interessiert.“

Wir sind aber auch Fan davon, nicht bloß ins Ausland zu gucken, sondern auch zu sehen, was hier in Deutschland passiert und darauf zu achten. Ganz großes Thema „Gegen rechts“, da sind wir immer am Start, weil darauf besonders geachtet werden und wo man sich engagieren muss.

Wir haben das schon immer getan. Je bekannter Silbermond in den letzten Jahren wurde, desto mehr haben sich die Anfragen gehäuft. Wir haben festgestellt, dass es sich vielmehr lohnt, weniger Aktionen zu planen, dafür aber mehr und intensiver in weniger zu investieren und zu 100% dabei zu sein.

 

LifeOnStage.Net: Das klingt gut, das hat Zukunft, vor allem, wenn man eine Fanbase hat wie ihr. Ein kleiner Schwenk: Was erhofft ihr euch von 2013? Was sind eure Wünsche und Ziele?

Andreas: Wir sind erstmal froh, wenn Weihnachten und Silvester kommen. Dann schauen wir mal, was nächstes Jahr kommt. Wir werden auf jeden Fall spielen, wir haben schon einige Konzerte und Festivals bestätigt bekommen. Was kreativ passiert, können wir noch gar nicht sagen, aber wir werden erstmal ins Jahr kommen und dann schauen.

 

LifeOnStage.Net: Ihr habt 2004 euer erstes Album rausgebracht, wart noch ganz am Anfang. Was würden eure 2004- Persönlichkeiten zu euren 2012- Persönlichkeiten sagen? 

Thomas: Gute Frage. „Mann, bist du alt geworden!“

Stefanie: Wir haben witzigerweise neulich eine alte DVD gesehen und wir haben festgestellt: So, wie wir hier sitzen, so waren wir damals auch. So, wie wir in Interviews jetzt sind, waren wir früher auch. Da können die Jahre vergangen sein – es hat sich nichts geändert. Der Grundcharakter, und da bin ich wirklich froh, ist so geblieben.

Wir sind seit 14 Jahren eine Band, das prägt unheimlich, jeder kennt den anderen in-und auswendig. Man hält sich gemeinsam zusammen und geht den Weg gemeinsam. Klar, wir sind älter geworden, aber so, wie es gekommen ist, ist es genau richtig und gut so.

LifeOnStage.Net: Das war ein sehr schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Interview.(A.E.)