Troye Sivan in der Tonhalle München

Troye SivanIst denn schon Weihnachten oder warum erscheint uns ein Engel?

Die Fans müssen wohl vor der Tonhalle gecampt haben, denn es liegen unfassbare Mengen an Abfällen davor. Solche sind die Nachteile bei den begehrten Auftritten von Pop-Phänomenen unserer Zeit; dabei bleibt es dann aber auch.

Als Support wärmt Sänger Leland aus den Vereinigten Staaten die Menge für Troye Sivan vor. Kennt keiner, denkt jeder, aber findet ihn megatoll und feiert ihn bei seiner Performance, die eine Mischung aus Sam Smith und Troye Sivan selbst ist. Dann eine bekannte Melodie im Ohr, cooles Cover denkt jeder, von wem war das gleich? Google nach den Lyrics befragen, ist doch tatsächlich von Leland selbst und kein Cover und gleich steigt er noch höher auf der Coolness-Skala. „Mattress“ heißt das Lied und dürfte Ihnen bekannt vorkommen – wenn nicht, unbedingt reinhören! Was man außerdem über ihn wissen muss, ist dass er auch noch ziemlich erfolgreicher Songwriter ist, nicht nur für Troye Sivan, auch für Selena Gomez, Andy Grammer, Capital Cities und einen erfolgreichen Netflix-Film. Seine Show ist spaßiger Elektropop, aufgefangen durch seine potente Stimme und untermalt von abgefahrenen Tanzeinlagen. Die schönste Charakterisierung gibt er sich selbst: „I am, eat, sleep, even breathe pop music.“ Besser geht´s nicht. Und nachdem er bei Universal Deutschland unter Vertrag ist, sollte es nicht allzu lange dauern, bis Leland eine Riesen-Nummer bei uns wird.

Dann erscheint Troye Sivan engelsgleich von hinten über das Publikum in der Tonhalle und ist endlich auf der Bühne angekommen. Er sieht aus wie ein Engel, singt wie ein Engel – mit etwas tieferer Stimme – und tanzt dazu, wie Troye, denn das würde den Himmelswesen sicher nicht gefallen. Es ist ein Konzert wie im Film: um das Publikum ist es völlig geschehen und auf magische Art können alle, wirklich alle seine Songtexte.

Troye thematisiert offen sein Schwul-Sein und sorgt für viele emotionale Momente, die sich auch auf seinem aktuellen Album „Bloom“, das im August 2018 erschienen ist, widerspiegeln und das jetzt den Inhalt seiner Tour bildet.

Die Emotionen fahren Achterbahn: mal findet man sich wie bei „Bloom“ im reinsten Disco-Fieber wieder und die ganze Halle tanzt sich die Seele aus den Leibern, dann fährt Troye wieder komplett runter und singt ein wunderschönes Liebesduett mit seiner Background-Sängerin in Wohnzimmer-Ambiente und im nächsten Moment regt er seine Fans für den nächsten Song dazu an, einmal komplett im Selbstmitleid versinken zu dürfen – das altbekannte Break-up-Thema. Wieder einen Song später, überkommt einen das Gefühl, man sei plötzlich auf einem Rock-Konzert, bis man Troye auf der Bühne in all seiner Pracht schimmern sieht.

Dieses Emotions-Auf-und-Ab begleitet den Abend und sorgt dafür, dass es eben nicht irgendein Konzert, sondern ein Troye Sivan-Konzert ist. Denn hinter all den poppigen Klängen überkommt einen das Gefühl, dass darunter eine verletzte Seele steckt, die aber auch versteckt bleiben soll und sich nur hin und wieder zwischen den Zeilen einiger Songs für kurze Momente zeigt.

Verwunderlich bei den zahlreichen Liebesliedern ist dann zwar, dass Troye mit einem Mal „tired of love songs“ ist und nach Hause gehen will, aber genau solche Unstimmigkeiten machen ihn aus. Diese tiefe Stimme, die so gar nicht zu seiner zarten, fast ätherischen Erscheinung passen will, seine Musik aber umso kontrastreicher macht. Vielleicht spiegeln seine Songs die Höhen und Tiefen seines eigenen Lebens, aber vor allem auch die eines jeden Lebens und so ist der Konzert-Abend ein Schnell-Durchlauf durch ein erfülltes Leben. Alles in allem charakterisiert die Beschreibung der Erscheinung eines Engels das Ganze ziemlich gut, zumal die Musik ohnehin eine der Ersatzreligionen der Postmoderne darstellt.

Troye Sivans Erscheinungsbild jedenfalls sprüht nur so vor Ambivalenzen aus Pop-Ambitionen und meditativer Ruhe, doch sie sprüht in den prächtigsten Farben und das definiert die Spannung in ihm als schillernde, aber wahrhaftig in sich ruhende Bühnenpersönlichkeit.(S.N.)

Fotos Troye Sivan

Fotos Leland