Vom Erwachsenwerden und dem, was bleibt – Jennifer Rostock „Schlaflos“

Schlaflos_Jennifer Rostock

Diese Band war immer ein wenig anders, immer ein wenig über die Grenzen, immer mit einem Hang zum Extremen. Und das ist gut, denn wer 2014 mit dem, was er sagen will, hinter’m Berg hält, wird nicht gehört. Jennifer Rostock legen Wert darauf, gehört zu werden und das nicht zuletzt mit ihrer Musik, die auf diesem Album erstaunlich erwachsen, reif und durchdacht klingen. Es ist ein Album, welches sich von den vorhergehenden deutlich unterscheidet – es hat mehr Biss, mehr Ernsthaftigkeit und ja, auch mehr Tiefgründigkeit.

Kennt man sie als die, die genau das sagen, was sie meinen, wird man auch mit „Schlaflos“ nicht enttäuscht. Explosiv und exzessiv beginnt das Album mit „Zeitspiel“, verliert sich keineswegs in Floskeln oder Pseudo-Punk-Attitüden. Jennifer Rostock sind, was sie sagen und meinen es genau so und nicht anders. Kaum hat man sich an den extrem rockigen Beat gewöhnt, an die etwas schrille und laute Stimme, so fliegen einem auch schon Wortspiele der Extraklasse um die Ohren. Aber sind wir doch mal ehrlich – haben wir etwas Anderes erwartet? Sängerin Jennifer Weist präsentiert sich auf der neuen Scheibe keineswegs anders als vorher oder gar fremd, nein. Sie ist nach wie vor sie, aber stimmlich in Höchstform, was einige Überraschungen bereithält. So muten Songs wie „Wenn der Wodka zweimal klingelt“ eher ruhig an, fast schon ein wenig in die Richtung Country, was man sonst nicht von der extrovertierten Frontfrau gewöhnt ist. Es ist schön zu hören, wie herrlich wandelbar sie sein kann und das ganz im Rahmen von Jennifer Rostock.

An solchen Stellen laufen dann einige Bands Gefahr, sich selbst nicht mehr treu zu bleiben oder zu viel zu experimentieren. Brillant gelingt es hier, diese Gradwanderung zu machen und neue Gefilde auszuprobieren.

Ist man anfangs vielleicht ein wenig erschrocken über die Heftigkeit, die einem entgegenschallt, so kann man sich wenige Takte später dem Reiz und dem Charme dieses schnellen Strudels nicht mehr entziehen. Die Reise geht weiter, führt einen von „Phantombild“ über „Du nimmst mir die Angst“ bis hin zum letzten Titel – „Schlaflos“. Und was zunächst ein wenig abgedroschen klingen mag, verliert im Laufe des Songs diesen Charakter. Ungewöhnlich ruhig wird eine Geschichte erzählt, es ist fast, als erlebe man die im Song erzählte Geschichte. Fast ein bisschen poppig, gewinnt der Track zunehmend an Fahrt, stimmlich bewegt sich Jennifer Weist durch alle Facetten ihrer Stimme. Es wird tiefgründiger, dunkler, etwas nachdenklich. Ob es nun der perfekte Song zum Abschluss des Albums ist, bleibt zu diskutieren, aber er hinterlässt definitiv ein Gefühl von irgendwie allem. Fragen nach dem Sein, es wird nach dem Warum gefragt, im Vordergrund steht wohl auch immer die eigene Ratlosigkeit. Es werden Gedankenspiele laut, die nur allzu perfekt in diesen Strudel an Emotionen passen wollen, der mit den vorhergehenden Songs angefangen wurde.

Ein Album also, das nichts auslässt, mit nichts zurückhält, aber auch auf eine sehr elegante Art und Weise keine Meinungsmache ist, sondern vielleicht auch dazu anregt, ein wenig über den eigenen Alltag und das 2014, das gerade passiert, nachzudenken.

Gekauft werden kann die Platte ab sofort bei iTunes, Amazon oder den Plattenläden eures Vertrauens.(A.E.)