Wanda im Interview – „Diese Band wollte nie in einer Indie-Blase bleiben.“

Wanda live in der Olympiahalle MünchenAnlässlich des zehnjährigen Bandjubiläums von Wanda haben wir mit Frontmann Marco Wanda zurückgeblickt, über Erfolgsdruck gesprochen und erfahren, was Boxen mit dem neuen Album zu tun hat.

Ihr feiert euer zehnjähriges Bandjubiläum, ein Anlass, zurückzublicken. Was ist dir am meisten in Erinnerung geblieben, sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht?

Marco Wanda: ich weiß jetzt, dass wir ganz am Anfang einfach raus wollten. Das ist mir jetzt mehr als je zuvor klar geworden. Wir haben vor kurzem im Zuge der Album-Promo einige dieser ersten Clubs, in denen wir in Wien gespielt haben, besucht. Das waren oft so Rückblicke. Dann standen wir alle da und haben uns gedacht, dass es schon schön war, hier zu spielen, aber diese Band wollte einfach immer raus. Diese Band wollte nie in einer Indie-Blase bleiben. Das hat uns immer so runtergezogen und gefühlt eingeschränkt. An diese Aufbruchsstimmung kann ich mich lebhaft erinnern. Und dann ging´s halt wahnsinnig schnell. Danach gibt es ein paar Jahre, an die ich mich gar nicht mehr erinnern kann und auch eigentlich gar nicht mehr erinnern möchte. Diesen Hype, dieses schnelle Aufsteigen und den damit verbundenen Druck aber auch den ungesunden Lebensstil auf Tour hab ich irgendwie einfach verdrängt. Jetzt fühlt es sich ein bisschen so an, als würden wir wieder aufwachen, auch als Gruppe. Wir haben in den letzten zwei Jahren sehr viel aufgearbeitet, sehr viel miteinander geredet und eine ganz andere Gesprächskultur kultiviert. Mir macht´s eigentlich im Moment so viel Spaß, wie noch nie. Das ist ein bisschen ein Happy End oder ein New Beginning.

Passt ja auch zum Titel eures neuen Albums, das ihr im September veröffentlicht. Dem Titel nach geht es um euch als Band. Ist das eine Art Rückblick auf eure Bandgeschichte oder eher der Status Quo von Wanda 2022?

Marco Wanda: Es geht eher um einen Status Quo, aber das soll nicht meinen, dass wir jetzt das definitive Wandasind. Eigentlich haben wir den Titel gewählt, um uns daran zu erinnern, dass es zwischenmenschliche Arbeit ist, Wanda zu sein und zu bleiben. Wir sind im Moment viel damit beschäftigt, wie wir das lange machen können, ohne, dass es zum Fluch wird für alle Beteiligten. Ich glaube, das war es leider zwischenzeitig. Es geht darum, was Wandafür uns ganz persönlich sein soll. Was soll Wanda in Zukunft sein? Das müssen wir jetzt rausfinden. Das ist mit dem neuen Album auch nicht abgeschlossen, das ist ein Prozess. Aber ich glaube, eine gewisse Art von Heilung passiert jetzt gerade intern.

Mit Valentin Wegscheider ist ein neues altes Bandmitglied zurückgekommen. Gibt es diesen Effekt auch auf der musikalischen Ebene? Begegnen euch Themen oder musikalische Motive, die ihr eigentlich schon mal abgelegt habt?

Marco Wanda: Eigentlich nicht. Die Musik dieser Band verändert sich aus meiner Sicht eigentlich kaum. Wir machen das, was wir können oder auch das, was wir wollen. Aber der Vali hat diesen ganzen großen Rückblick mitgestartet. Plötzlich war er wieder da. Und die erste Frage war natürlich: Was habe ich verpasst? Was ist passiert? Dann haben wir begonnen, zu reflektieren. Er war wie ein biografischer Schwamm, in den man alles hineinreden konnte. Das hat sich wie Therapie angefühlt. Die ersten Proben haben wir mit ihm eigentlich überhaupt nicht Musik gemacht, sondern wir haben nur auf ihn eingequatscht. In gewisser Weise war er ein paar Monate unser Therapeut, würde ich sagen.

Ja, manchmal tut es wahrscheinlich ganz gut, wenn jemand von außen kommt.

Marco Wanda: Er bringt auch eine Ruhe rein, die wir sonst als Individuen vorher nicht wirklich hatten. Er ist ein sehr aufgeräumter, anständiger, einfühlsamer und nachdenklicher Mensch. In seiner Gegenwart könnte ich mir cholerische Ausbrüche, wie ich sie vorher hatte, nicht erlauben.

Ihr spielt seit vielen Jahren eine ausverkaufte Show nach der anderen, was ist euer Erfolgsgeheimnis? Abgesehen von Amore natürlich.

Marco Wanda: Das weiß ich nicht. Würde ich das wissen, wäre ich Millionär.

Und was kann jetzt noch kommen? Habt ihr einen Meilenstein vor Augen?

Marco Wanda: Ich habe das Gefühl, dass wir immer, wenn wir uns Gedanken über Meilensteine gemacht haben, das Wesentliche vernachlässigt haben. Das ist die Kommunikation im innersten Kern dieser Band. Ich mache mir keinen Druck, ich habe keine Erwartungen. Mir ist kommerzieller Erfolg komplett egal. Ich möchte nur, dass diese Menschen, die Wanda ausmachen, gut und zufrieden damit leben können und auf sich achtgeben. Ich möchte eine gewisse Achtsamkeit in der Gruppe kultivieren. Was außen passiert, frage ich mich nicht. Lebensziele als Musiker hatte ich auch nie. Ich hätte nie gedacht, dass wir mal in der Wiener Stadthalle spielen, geschweige denn zweimal ausverkauft. Das hätte ich mir nie träumen lassen. Ich habe da so eine Bescheidenheit entwickelt und so eine Dankbarkeit für das, was wir gerade erleben dürfen, dass ich mir über die Zukunft wenig Gedanken mache. Außer, dass ich möchte, dass diese Band gesund in der Zukunft ankommt.

Wie klingt das neue Album und was unterscheidet es von euren vorherigen?

Marco Wanda: Ich mache mir über sowas nie Gedanken, ich schreibe ja schon das nächste. Heute habe ich mir sagen lassen, dass es reifer, liebevoller, einfühlsamer klingt. Ich beurteile meine eigene Musik überhaupt nicht. Ich schreibe einen Song nach dem anderen, wie ein Boxer: ich haue einen um, dann den nächsten, den nächsten, und versuche, selbst, nicht umgehauen zu werden.

Auf dem Album ist ein Song mit dem Titel „Wir sind verloren“. Wie sehr ist dieser Song vom aktuellen Weltgeschehen beeinflusst?

Marco Wanda: Das ist schwierig. Ich bin bemüht, Dinge zu schreiben, die auch noch in zwanzig Jahren Gültigkeit haben. Über einzelne Ereignisse politischer Art oder gesellschaftlicher Umwälzungen schreibe ich zumindest nicht bewusst. Dass man das trotzdem hin und wieder findet, mag passieren. Aber ich setzte mich nicht bewusst hin und bearbeite Themen. Dann müsste ich auf die Uni. Ein Album ist kein Essay, es ist ein Filter oder ein Sprachrohr der eigenen Seele. Klar, dass sich da auch Inhalte wiederfinden, die auf der Welt stattfinden, aber das ist kein bewusster Prozess. Insofern ist es nicht mal ein literarischer Prozess, glaube ich.

Du hast vorhin gesagt, dass du dir nicht so viele Gedanken über den kommerziellen Erfolg machst. Ist Erfolgsdruck dann wirklich gar kein Thema bei euch?

Marco Wanda: Der Erfolgsdruck war sehr hoch, nachdem „Columbo“ auf Platz eins ging in Österreich. Unter diesem Druck bin ich zusammengebrochen. Das hat mich komplett aus der Bahn geworfen. Ich habe dann das ziemlich mittelmäßige Folgealbum „Ciao!“ geschrieben. Ich bin mit der Platte irgendwie nicht ganz einverstanden. Mittlerweile habe ich wieder mehr zu einem spielerischen Zugang gefunden. Ich schaffe es, den druck draußen zu lassen, aber es gab Jahre, da war der Druck sehr hoch. Wir haben uns auch selbst den Druck gemacht. Du kommst in ein megalomanisches Getriebe, wenn du merkst, das geht, und das geht auch, und vielleicht ist dann das Stadion der nächste Halt. Dann vergisst du irgendwann das wichtigste, die Musik. Und die soll Spaß machen. Das habe ich auf diesem Album wieder gefunden, Spaß an der Musik als primären Prozess und alles Sekundäre ist mir mittlerweile unwichtig geworden.

In „Pilot“ heißt es: „wenn einer von uns abstürzt, sind wir sein Pilot“. Ist das auf den Zusammenhalt der Band bezogen?

Marco Wanda: Ich glaube, wenn es grundsätzlich ein Thema gibt, das mich beim Schreiben dieser Platte beschäftigt hat, dann war es der Stellenwert, den andere Menschen in meinem Leben haben. Komme ich eigentlich ohne andere Menschen aus? Ich glaube nicht. Diese Frage hat sich für mich durch das Musikmachen auf dieser Platte beantwortet. Andere Menschen sind einfach sehr wichtig, Vertrauen ist sehr wichtig, an Beziehungen arbeiten ist sehr wichtig. Ich glaube, wenn es irgendein Thema gibt, das auf dieser Platte erkennbar stattfindet, dann vermutlich das. Es geht darum, für den anderen da zu sein. Das Leben ist grad schwer für alle. Menschen haben kein Geld, keine Perspektive, jetzt kommt auch noch ein Krieg on top. Es ist einfach eine schwierige Zeit.

Das PULS Festival wurde wegen mangelnder Sicherheitskräfte als Folge der Pandemie abgebrochen. Man hört auch immer wieder, dass Bands Konzerte absagen müssen, weil nicht genügend Karten verkauft wurden. Habt ihr die Pandemie auch so stark zu spüren bekommen?

Marco Wanda: Wir haben das große Glück, dass unser Publikum uns die Treue gehalten hat. Für praktisch alle Nachholtermine haben die Leute ihre Karten behalten. Und dafür sind wir sehr dankbar. Das wissen wir sehr zu schätzen. Der Kartenverkauf für die Zukunft läuft wie überall katastrophal. Was man da noch ausverkauft in Zukunft, weiß ich nicht. Ich glaube, diese Zeiten sind vorbei. Jetzt ist jedes Ticket nochmal wahnsinnig wichtig geworden. Unsere Nachholtermine waren ein Wahnsinn. Wir hatten Corona-Fälle in der Crew oder auch in der Band. Das war wie ein Schiff, das ständig überall Löcher bekommt. Wir haben die ganze Zeit Bretter davor genagelt, um nicht abzusaufen. Aber ich bin wahnsinnig froh, dass wir kein einziges Konzert absagen mussten. Es ging sich immer irgendwie gerade noch so mit Glück aus. Irgendjemand von oben hat da zugeschaut und uns geführt. Ansonsten hat die Pandemie uns Zeit gegeben. Es war wichtig, durch die Isolation mal wieder zu sich zu finden. Wir kamen gerade von jahrelangen Tourneen. Das Privatleben war ein blinder Fleck. Die gezwungene Beschäftigung mit dem eigenen Privatleben, das wir ziemlich verkümmern lassen haben, war wichtig. Wenn du die ganze Zeit unterwegs bist, kannst du zuhause eigentlich gar nicht mehr aufräumen. Wir haben diese jahrelange Party aufgeräumt, die Kotze weggewischt, die Zigaretten eingesammelt, die Dosen rausgeschmissen. Wir haben uns einfach aufgeräumt, als Individuen aber auch als Bandgemeinschaft.

Genug von Corona! Ihr seid endlich wieder auf Tour. Was macht eine gute Show für euch als Musiker aus.

Marco Wanda: Nur das Publikum. Wenn du im Publikum eine angespannte Energie spürst, dann weißt du, dass alles gut läuft. Wir da oben machen, was wir immer machen. Wir machen, was wir lieben. Aber wie jede gute Liebe hat sie überhaupt keinen Sinn, wenn man sie nicht teilen kann. Das Glück, das wir da oben jedes Mal empfinden, das steigert sich, wenn wir merken, dass es im Publikum geteilt wird. Das ist ein schönes Konzert, wenn es auf Augenhöhe läuft. Sich hinstellen und bewundert werden, ist zum Kotzen. Das war nie die Motivation dieser Band. Wir wollten immer schon sehr viel geben. Der Ray, unser Bassist, hat unlängst gesagt: Wir sind so Allesgeber. Das trifft es super.

Seid ihr selbst auch viel auf Konzerten oder ist das eine Art Berufskrankheit, dass man selbst nicht mehr so viel im Publikum unterwegs ist?

Marco Wanda: Ich gehe nicht wirklich auf Konzerte, aber ich glaube, die anderen gehen schon viel. Ich hätte gerne die Stones gesehen, die habe ich leider verpasst. Ich war auch nie der große Konzertgänger. Ich kann mir das kaum anschauen, ohne dass ich auf die Bühne will. Bei den wenigen Indie-Konzerten, die ich mir anschaue, lande ich auch meistens auf der Bühne. Ich bin ganz nervös, ich kann schlecht auf der anderen Seite sein.

Was macht eine gute Show aus Publikumssicht aus?

Marco Wanda: Schwitzen, Rausch, alles vergessen, nicht nachdenken, ein euphorisches Kribbeln. Das hatte ich einmal bei der Fat White Family. Das ist eine Punk Band aus London. Die habe ich in der Brixton Academy gesehen. Die sind uns gar nicht so unähnlich. Da dachte ich, aha, so ungefähr kann man sich eine Wanda Show vorstellen. Ich fand´s richtig geil. Ich war komplett ausgeknipst. Ich glaube, eine gute Show ist, wenn man loslassen kann, was auch immer man mit rein genommen hat. Das holt einen dann ja eh wieder ein. Jeder Mensch hat verdient, dass er mal zwei Stunden ausgeschaltet ist.

Abgesehen von euren Shows in Österreich seid ihr viel in Deutschland unterwegs. Unterscheidet sich das deutsche Publikum vom österreichischen?

Marco Wanda: Überhaupt nicht.

Interessant, da sind ja viele anderer Meinung.  

Marco Wanda: Es gibt bei uns absolut keinen Unterschied. Es ist immer derselbe Pegel an Ekstase, an gemeinschaftlichen Gefühlen. Das ist spannend. Ich erinnere mich tatsächlich an keine Show, die da rausfällt. Und wenn, dann haben wir einfach Sachen zerstört, damit die Leute wenigstens was zu reden haben später.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast! Ich wünsche euch viel Erfolg mit dem neuen Album und ein euphorisches Publikum für eure nächsten Shows!

Marco Wanda: Vielen Dank!

Interview: Paulina Platzer