YUNGBLUD bringt junges Blut zum Kochen

YungbludEin Sonntagabend im Technikum München

Der optisch zunächst wirklich sehr jung wirkende Support Carlie Hanson aus den USA entpuppt sich schnell als heiße Newcomerin und aktueller Geheimtipp. Die 18-Jährige eröffnete bereits Shows für Troye Sivan und auch All-Time-Favourite-Sängerin Taylor Swift hört ihre Musik. An der Stimme lässt sich feilen, am Party-Faktor kaum – der ist bereits weit oben.

Etwas Positives vorneweg: einen solchen Enthusiasmus, solch eine Hingabe und Fanliebe erlebt man heutzutage, wo eher die Gleichgültigkeit regiert, selten. Zwar ist das Publikum jung und mit den Eltern angereist, verbal schockierend aufmüpfig – was bei der zu 50 Prozent aus „fucking“ bestehenden Sprache auf der Bühne nicht weiter verwundert – und sowieso mit seinen Smartphones in ständiger und inniger Symbiose. Und doch sind sie trotz des hohen Aggressionspotentials und dem gehässigen Vokabular absolut begeisterungsfähig für die Musik des Idols, in diesem Fall Sänger YUNGBLUD, der neue 20-jährige Stern am Gothic-/Rock-/Sonstiges-Himmel, der aber in keine Schublade gesteckt werden möchte, was also hier zu vermeiden ist. Als einen seiner bisherigen Erfolge verzeichnet er einen Song für die Netflix-Megaserie „13 Reasons Why“.

Und tatsächlich bringt YUNGBLUD – zwar unter wildem Gehampel, aufgerissenem Mund, der echte Angst um jedes Mikrofon aufkommen lässt und obszönen Gesten – die Sehnsucht nach Romantik, die Unsicherheit, die nur schwer kanalisierbare Aggression und das große Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit, die in unserer Gegenwart vorherrschen, in seiner Musik erstaunlich stimmig zusammen. Daraus entsteht ein Mix, der live anstrengend und physisch gefährlich werden mag, aber für den richtigen und altersentsprechenden Rezipienten auch ertragreich und anregend wirken kann. Der Live-Sound sorgt für Purzelbäume der Innereien und der Habitus auf der Bühne (Beischlaf mit seiner Gitarre…) schreit nach einer Altersbeschränkung, allein schon, um den wohl überlegten Donald Trump- und LGBTQ-Messages ein aufnahmefähiges Ohr zur Seite zu stellen. Jeglicher angebrachten Kritik stellen sich die eingehenden Melodien, die energiegeladene Show und das riesige Engagement des Sängers an seiner Show entgegen. Ein reflektiertes Reinhören in sein neues Album lohnt sich auch vom Sofa aus allemal.

2019 ist ein Konzert wohl dann ein Erfolg, wenn beim Klatschen, Grapschen, Jubeln und Kreischen die Handys reihenweise aus den Händen fliegen, weil man glücklicherweise völlig vergisst, dass es mal da war.

Und nach dem Retro-Akt des Zerhauens der Gitarre – warum auch immer – fand der Abend dann ein schnelles Ende, denn: am Montagmorgen wartete bereits die Schulbank sehnsüchtig darauf, gedrückt zu werden, wenn auch mit weitaus weniger Hingabe und Rockability.(S.N.)

Fotos Jungblud

Fotos Carlie Hanson