Bamedikt Durdon im Interview: Vom Erwachsenwerden in der eigenen Musik

Bamedikt Durdon
Foto: Kenny Schneppe – NOX MUSIC

Er lebt für den Rap und schreibt Songs, deren Zeilen Geschichten zu erzählen wissen und beweist dabei musikalische Courage, die in der Szene selten ist: Bamedikt Durdon aus Kassel im Interview über seine Liebe zur Musik, persönliche und musikalische Weiterentwicklung und warum es so wichtig ist, in Songs die richtigen Sachen an der richtigen Stelle zu schreiben.

Deine ersten musikalischen Schritte hast du in einer Rockband gemacht, dann bist du 2008 zum Rap gewechselt. Woher kam die Liebe zum Rap und was hat dich dabei bleiben lassen?

Die einfachste Frage gleich zu Anfang. Ich kann mich nicht erinnern, dass Musik in meinem Leben mal nicht präsent gewesen ist, somit selektiere ich sie nicht: Ich liebe Klassik, Soul, Jazz und bin mit klassischer Rockmusik und Blues aufgewachsen. Für mich war Musik immer allgegenwärtig. Als ich ein Kind war, habe ich meinem Patenonkel, der ein begnadeter Gitarrist ist, immer zugehört und ab dem Moment, in dem ich eine Gitarre halten konnte, war klar, dass ich Musik mache. Ich habe immer quergehört und war auch eine der wenigen Rockmusiker, die Hip Hop gehört haben.
Irgendwann habe ich mich mehr von Rap angesprochen gefühlt und ich wollte es nicht nur konsumieren, sondern in dem Bereich produktiv und kreativ sein.

Von „Casselfornication“ hin zu „Head in den Clouds” schlägst du einen großen stilistischen Bogen. Wie bewertest du die Einflüsse, die zu der Entwicklung vom R.o.C.-Sound bis hin zu deinem aktuellen Sound beigetragen haben?

Es ist ein enormer Unterschied. Die „Casselfornication“-EP ist in denselben Sessions wie das Album „R.o.C.“ entstanden, kam sechs Wochen vorher raus und zeichnet sich durch den warmen, Jazz-lastigen Sample-Oldschool-Sound aus. Dieser Sound war super charakteristisch für meinen damaligen Produzenten DJ Criss-Fade, mit dem ich sehr intensiv an dem Album gearbeitet habe. Das war 2015 kurz vor dem Switch zu Trap und es war damals schon ein bisschen oldschool, aber für mich hat sich nach „R.o.C.“ das Gefühl eingestellt, dass ich alles, was ich auf dieser Soundebene machen wollte, bereits getan habe. Wenn mir jemand sagt „Rap mal wieder wie früher“, kann ich das nicht. Ich bin nicht mehr derselbe Mensch und habe keine Lust mehr, so zu rappen wie auf „R.o.C.“ oder der „Casselfornication“-EP – das ist vorbei. Für mich ist es wichtig, dass sich die Musik mit mir als Mensch entwickelt.
Es geht nicht darum, dass es jedem gefallen muss; es muss zu mir, meinem Leben und dem Moment passen. Jedes Album ist eine Momentaufnahme und so ist es bei der EP und dem Album. Ich bin sehr stolz darauf und es war sehr erfolgreich – mit dem Album war ich zum ersten Mal auf Tour, ich habe super Erinnerungen an die Platte, habe tolle Menschen kennengelernt, coole Studiosessions und Videodrehs gehabt, aber das ist vorbei. Ich war damals 25, das Leben ist weitergegangen und deswegen klingt es nun auch anders.

Wie entwickelt sich bei dir das Songschreiben in Zusammenarbeit mit deinem Team um dich herum und ab wann ist es eine runde Sache?

Der Produzent ist mindestens genauso wichtig wie ich. Ein Großteil der Sachen, die in den letzten zwei Jahren rausgekommen sind, hat der amerikanische Produzent KHVN gemacht. Ich würde meine Musik mittlerweile teilweise als klassischen Trap mit Dancehall-Einflüssen beschreiben. Ich gehe immer mit einer Emotion rein und kann bei jedem Song bis zurück zu „R.o.C.“ sagen, mit welcher Emotion die Musik entstanden ist, was gerade in meinem Leben passiert ist, wen ich erreichen wollte und ich würde todesmutig behaupten, dass ich bei jeder Zeile sagen kann, was ich mir dabei gedacht habe. Nichts in meiner Musik ist zufällig und für mich eine Art Selbsttherapie. Auch Songs, von denen man das nicht erwarten würde, bedeuten etwas.
Ich kann mir im Studio nur die eigenen Emotionen von der Seele schreiben und hoffen, dass man es versteht. Ich bin ehrlich – wahrscheinlich sind 90 Prozent der Sachen, die ich schreibe, an den Leuten vorbeigegangen, aber genug haben es auch mitbekommen. Für mich wird es eine runde Sache, wenn wir die perfekte Symbiose zwischen der Emotion, die der Beat transportiert und der Emotion, die ich transportieren will, erreicht haben. Es gibt diesen Moment im Studio, in dem einfach Magie passiert. Du sitzt da 40 Nächte und es passiert nichts, guckst auf ein weißes Blatt Papier; dann gehst du einen Abend lang da hin und von irgendwoher kommen plötzlich Songs. Eine der weisesten Sachen, die mir mal ein Tontechniker gesagt hat, war: „Musik ist wie Surfen. Mal kommen die Wellen, mal kommen sie nicht, und alles, was du machen kannst, ist, an den Strand zu gehen und zu warten.“ Wenn man dann in der Musik den richtigen Beat und Vibe hat, wird es funktionieren.

Du hast in deinem Podcast gesagt, dass es für dich wichtig ist, in Songs die richtigen Sachen an der richtigen Stelle zu sagen. Wie steht das im Zusammenhang mit Trapsoul, den du machst, und was macht dieser für dich aus, was inspiriert dich?

Für mich ist Trapsoul nicht notwendigerweise Heartbreak-Music, die natürlich auch darunterfällt. Meine Single „Kompliziert“ hat Trap- und Dancehall-Einflüsse und da ist es so: Man muss an der richtigen Stelle in der richtigen Melodie die richtige Sache sagen, damit sie vibed.
Ironischerweise ist es oft so, dass Zeilen ein Alleinstellungsmerkmal bekommen, weil die Leute es verstanden haben. Das bedeutet, der Text hat gewirkt. Natürlich gibt es keine mathematische Formel dafür und man kann es nicht am Reißbrett planen.
Ich bin riesiger Fan von 6lack und Bryson Tiller – das sind absolute Götter für mich. Der Punkt, an dem sich auch mein Stil verändert hat, war, als sich mit dem „Trapsoul“-Album von Bryson Tiller für mich eine völlig neue Welt erschlossen hat.

Nochmal zurück zu deiner aktuellen Single „Kompliziert“ – was steckt dahinter?

Es steckt 100 Prozent Herz drin und ich habe jedes Wort so gefühlt. In meiner Musik geht es viel um diese Boy-Girl-Dynamik, eine Art Romance. Ich hatte Bock auf Summer-Vibes, wollte eine tanzbare Dancehall-Single machen, in der es um eine Frau geht, die jedoch nicht den Heartbreak-Faktor hat, sondern den Zuhörer dazu bringt, sich zu bewegen. Das hat mega funktioniert. An den ersten warmen Tagen war ich krank zu Hause, wollte gerne raus und mich zur Musik bewegen, was natürlich nicht ging. Also habe ich mich hingesetzt, um den Soundtrack dazu zu machen.

Wir alle haben die letzten zweieinhalb Jahre in der Kultur erlebt, es hat sich viel geändert. Inwiefern hat dich das, sowohl positiv als auch negativ, als Musiker beeinflusst?

Ich bin ein positiver Mensch, daher fange ich mit den positiven Sachen an: Ich hatte viel mehr Zeit, mich mit mir selbst und meiner Musik auseinanderzusetzen und habe mich gefragt: Was möchte ich den Leuten mitgeben, was bedeutet für mich Musik, um mir auch ein bisschen mein „Warum“ ins Gedächtnis zu rufen. Ich habe keinen Einfluss darauf, wie viele Leute meine Musik streamen, und ich wehre mich dagegen, missgünstig zu sein. Ich kann nur ins Studio gehen und das schreiben, rappen und singen, was ich gerade fühle. Alles Andere liegt nicht in meinem Einflussbereich.
Meine gesamte Postproduktion mache ich selbst und da packe ich mein komplettes Herzblut rein. Wie das dann angenommen wird, liegt nicht in meiner Hand. In der Zeit der Pandemie habe ich gelernt, das komplett von Feedback oder Streams abzukoppeln. Das bedeutet nicht, dass ich nicht dahinschmelze, wenn mir Leute schreiben, was meine Songs für sie bedeuten. Für die Entstehung meiner Musik ist das aber erstmal irrelevant. Ich release meine Musik an einem Punkt, an dem ich selbst sagen kann, dass ich alles gegeben habe. Klar, negativ war, dass Liveshows zwei Jahre lang nicht möglich waren, was sich leider für Künstler meiner Größenordnung immer noch nicht normalisiert hat. Aber ich stecke nicht den Kopf in den Sand – Musik ist mein ganzes Leben und es gibt keinen Stream, negativen Kommentar, Veranstalter und kein Konzert, dass sich das ändert oder ich meine Karriere beende.

Ab welchem Punkt ist für dich Feedback im Prozess des Songschreibens relevant?

Tatsächlich, wenn ich der Meinung bin, dass der Song fertig ist. Meistens zeige ich nicht einmal den Roh-Mix und wenn, dann nur einem ausgewählten Personenkreis. Früher habe ich ganz oft Feedback von Leuten bekommen, wo ich mich gefragt habe, ob sie das ernst meinen, oder irgendwas von mir haben wollten. Natürlich spielt da auch Angst mit rein und es geht darum, diese jedes Mal zu besiegen, wenn du dich von deiner verletzlichen Seite zeigst und ehrlich bist mit dem, was du machst.
Vor zwei Wochen habe ich die „heartnox“-EP meinem Freund Felix gezeigt, an der ich seit einem Jahr schraube. Das hat mir wirklich alles abverlangt und es ist ganz anders als das, was ich bisher gemacht habe. Sie lag ein Jahr lang, ohne dass ich sie jemandem gezeigt habe und da hatte ich extrem Angst vor. Felix ist seit meinen ersten musikalischen Schritten an meiner Seite und es gibt niemanden, dessen Meinung ich bei der Songbewertung mehr schätze als seine.

Welches Klischee der Rap-Szene kannst du bestätigen und welches Klischee nervt dich schon immer?

Was mich nervt, ist die die Antizipation, dass man ein Gangster ist, sobald man rappt. Ich bin riesiger Fan von Gangster-Rap, aber habe in meinem Leben noch nie Drogen verkauft, ich steche keine Leute ab, versuche gesund zu essen, viel Schlaf zu bekommen und bin auch ansonsten ganz nett, glaube ich.
Was ich bestätigen kann, ist, dass Rapper Rampensäue sind. Ich habe zwar immer Lampenfieber, wenn ich auf die Bühne gehe, aber es gibt nichts, das ich lieber mache, als meine Kunst zu präsentieren. Hier geht es auch um Authentizität – Bamedikt Durdon, das bin ich und so verstehe ich meine Kunst – alles, was du in meiner Musik findest, was du von mir hörst, stimmt. Natürlich gibt es Übertreibungen, die sich aber noch in einem realistischen Rahmen befinden.

Wenn es einen Film über dich und deine Musik gäbe – wer würde dich spielen und welches Genre wäre es?

Chris Hemsworth in seiner Rolle als Thor und es wäre wahrscheinlich eine Mischung aus Romcom und Sport-Motivations-Film. Als Intro „Danger Zone“ von Kenny Loggins – immer noch einer der Songs, die mich am meisten motivieren.

Was steht in der nächsten Zeit bei dir an und was ist für 2023 geplant?

Als nächstes werde ich die „heartnox“-EP releasen und danach wird es – entsprechend der Jahreszeit – etwas sommerlicher, mehr Dancehall, etwas Up-Tempo. Noch kann ich es nicht bestätigen, aber ich habe sehr viel Bock auf Live-Konzerte, auch auf Festivals und bin gespannt, was kommt.

Vielen Dank für das Interview!

Hier geht’s zum Spotify-Kanal: https://open.spotify.com/artist/0J0C5c07LDttyZhiVyOJdg?si=Oty38UKMSTC1c4SnfcpzqA

Interview: Ann-Kathrin Erler