Vier große, zwei kleine Bühnen und eine kilometerlange Camping-Area waren bei weitem nicht die einzige Verwandlung, die das Industriegebiet in Neuhausen Ob Eck vom 20. bis 23. Juni in eine Festivalwelt verwandelten. Ein Riesenrad, eine Shoppingmeile, diverse Essensstände, der Jägermeister Platzhirsch als Wahrzeichen des Musikevents, Tattoo- und Piercing-Studios und sogar eine Aldi-Filiale waren Teil der Ausstattung. Wo das Southside an seine Kapazitäten geriet, schafften die Bands Abhilfe. Wer zum Beispiel die Berge vermisste, konnte bei Faber seinen Blick in die Alpen schweifen lassen, in deren Vordergrund der Züricher Songwriter am Samstag seine achtmonatige Pause beendete.
Auch wenn die Southside-Besucher vom Lama bis zur lebendigen Pizza im Laufe des verlängerten Wochenendes unterschiedlichste Verwandlungen durchlebten, stand die Theaterillusion im Rahmen des Festivals eher im Hintergrund. Meistens zumindest, bei Christine And The Queens bebilderten sechs Tänzer die Songs von Frontsängerin Héloïse Letissier und vereinten Musikalität mit Theatralität. „No judgement! Only love! This is a safe space!“, tönte es durch die Menge und wurde nicht nur in Bezug auf das Äußerliche zum Motto des diesjährigen Festivals.
Die Wetterfrage war ein allzeit präsentes Sorgenkind während der 21. Ausgabe des Festivals. Doch die Veranstalter hatten sich auf alle Eventualitäten vorbereitet. Verschiedene Materialien unterbanden den Schlamm bestmöglich. Wetterprognosen auf den Screens warnten, um die Lager rechtzeitig regendicht abzusichern. So war der Safe Space auch in diesem Bereich gewährleistet.
Am Freitagabend färbte sich der Himmel gefährlich rot, schwarze Wolkenbänke schoben sich bedrohlich über das Gelände. Wenig hätte für den Auftritt der Foofighters passender sein können als die Endzeitstimmung. Zu einem fulminanten Drums-Solo erhob sich der Schlagzeuger auf einer hydraulischen Bühne hoch über die Köpfe seiner Bandmitglieder und sorgte für impulsante Töne und Bilder inmitten der Unwetterfront.
Bausa platzierte sich inmitten einer düsteren Großstadt-Bühne, ansonsten war der Auftritt des Rappers allerdings eher enttäuschend. Über ein mehr oder weniger synchrones Playback mischte sich die dünne Stimme des Saarbrückers. Den Großteil der Show wurde gemeinsam mit dem Publikum Shots getrunken, statt Musik zu machen.
Die Katerstimmung am Samstagmorgen zu bekämpfen, hatte sich die Jägermeister Blaskapelle zum Ziel gesetzt und spielte sich in einer aktivierenden Show in Sekunden von Shakira bis Avicii durch die Hitparade.
Am Vormittag nahm die Sonne dann mal wieder eine Auszeit. Gerade hatte Alice Merton die Regenjacken freudig als überbewertet degradiert, als es in Kübeln zu schütten begann. Doch das schlechte Wetter konnte den Festivalbesuchern nichts anhaben. Schnell die Sommeroutfits gegen Regenponchos und Gummistiefel getauscht und weiter ging’s.
Bilderbuch eröffneten am Samstag eine Galaxie der Liebe. „Liebe is the place to be“, säuselte Maurice in „LED Go“ Richtung Publikum. Dazu zogen Planeten, Weltkugeln, Sterne und eine gemeinsame Erde ohne Grenzen im Bühnenbild ihre Bahnen. Von „Spliff“ über „Frisbee“ bis „Maschin“ spielten sich die Österreicher exzentrisch durch ihre Hits.
Die Toten Hosen hatten dem Southside zuletzt 18 Jahre zuvor einen Besuch abgestattet. Höchste Zeit, das Festival wieder mit einer Show zu beehren. Zu „Altes Fieber“ und „Paradies“ feierten fast 60.000 Besucher durch die zweite Nacht.
Die Bands der blauen Bühne führten definitiv die Rangliste des diesjährigen Line-Ups an. Nachdem The Cure die Messlatte am Freitag hochgelegt hatten, setzten Tame Impala die Sache am Abend darauf fort. Die bunte, psychedelische Lichtshow zog sich in Kombination mit Konfettiregen und vollmundige Melodien durch die Nacht.
Der Safe Space war auch ein großes Anliegen des geheimen Special Guest. Mit Songs wie „Raveland“ und „Täglich Grüßt Das Murmeltier“ sangen Frittenbude am Sonntag gegen den Nationalismus und für die Liebe an. Die Deutsch-Rap Hymnen führten die Orsons wenig später weiter und gewährten den ein oder anderen Einblick in ihr neues Album, das im August erscheint.
Nach einer mehr als spektakulären Pyro-Show von Steve Aoki setzten Mumford & Sons dem Festival am Sonntag das Krönchen auf. Hatten Annenmaykantereit zuvor, wenig beeindruckt von den Menschenmassen, ihr Set nur mäßig motiviert heruntergespielt, so gaben sich die Folk-Rock-Größen nahbar und benötigten nur wenige Sekunden, bis der Funke zum Publikum übergesprungen war. Zum Abschluss des Festivals zog Marcus Mumford seine Runden durch die Fanreihen. Schöner hätte das 21. Southside Festival in Neuhausen Ob Eck kaum zu Ende gehen können.(P.P.)