Kytes im Interview – „Man muss immer groß denken“

Kytes_Interview_25.02.2020

Wir haben mit den Kytes in ihrem gemütlichen Probenraum über Glück gesprochen, ihr neues Album durchleuchtet und erfahren, warum Wegrennen manchmal nicht die schlechteste Lösung sein muss.

Ihr veröffentlicht euer neues Album „Good Luck“ am 28. Februar. Was macht das Album aus und was unterscheidet es von eurem vorherigen?

Timothy: Irgendwie ist das neue Album Kytes 1.5, nicht Kytes 2.0. Nach unserem letzten Album 2016 haben wir 2019 eine EP veröffentlicht. Wir sind jetzt wieder ein bisschen zum ersten Album zurückgekommen, mehr zum Indie. Aber die ganzen 80er-Disco-Funk-Nummern von der EP haben wir auch mit drinnen. Deswegen ist „Good Luck“ ein bisschen eine Mischung aus unserem ersten Album und der EP.

Kerim: Der Ansatz war auch beim Aufnehmen anders. Wir waren davor relativ viel in Berlin im Studio und haben dort aufgenommen, für dieses Album haben wir eigentlich 90 Prozent hier gemacht. Wir waren auch in Wien, haben mit unserem Produzenten dort aber eigentlich nur den Feinschliff gemacht. Fühlt sich cool an, dass wir das ganze hier in unserem Raum aufs Band gebracht haben.

Wie entsteht ein Album bei euch? Könnt ihr ein bisschen vom Prozess erzählen?

Timothy: Das ist ganz unterschiedlich. Ich kann mich erinnern, dass wir einfach stundenlang hier rumsaßen und nur über ein Thema gesprochen haben, das uns gerade bewegt. Bei „Runaway“ haben wir zum Beispiel ganz lange darüber geredet, vor was man wegrennt. Jeder Mensch rennt doch irgendwie vor etwas weg oder vielleicht auch zu etwas hin. Vor was rennen wir weg, was kann das alles bedeuten? Können wir bei dem Song „Runaway“ trotzdem gut drauf sein, während wir wegrennen? Das war eine Kernfrage.

Michi: Ja genau, weil das ist ja unser Markenzeichen, immer gut drauf zu sein. Wir sind die Band, der es nie schlecht geht. Uns geht’s ja auch nicht wirklich schlecht. Unser Leben ist, wenn ich das mal so sagen darf, ziemlich geil. Das ist viel geiler, als zu arbeiten. Naja, wir haben uns für „Runaway“ eben gefragt, wie man das Wegrennen trotz guter Laune in einem quasi negativen Aspekt auf die Platte bringen kann.

Timothy: Ich beziehe das darauf, dass man gut drauf ist, obwohl man wegläuft, weil das ja auch immer ein Neustart ist. Man rennt vor etwas davon, das kann praktisch alles sein, was einen schlecht drauf bringt. Aber man freut sich dann auf das, was kommt.

Dann beginnt der Entstehungsprozess mit einer Themensuche?

Timothy: Ich glaube, es ist schwierig bei uns, alles über einen Kamm zu scheren. Manchmal ist Kerim mit einer Gitarren-Idee gekommen, dann haben wir erstmal Musik gemacht und dann überlegt, was dazu thematisch passen könnte. Der erste Schritt kann eine Melodie sein, es können Gedanken sein, es kann ein Schlagzeugbeat sein. Wir machen kein Konzeptalbum, was ich super spannend finde und total gerne mag, aber das ist unser Album auf alle Fälle nicht. Allgemein geht es in den Songs aber eigentlich immer um Themen, die uns bewegen, könnte man sagen.

Habt ihr einen Lieblingssong? Welchen und warum?

Michi: Wenn ich mich wirklich für einen Song entscheiden müsste, wäre es „Want You Back“. Ich bin begeistert von dem Song, weil er so tiefgründig ist. Das hat mich mitgenommen. Ich selber fühle, dass das tief reingeht bei mir.

Timothy: Du hast ja auch den Text mitgeschrieben. Du hättest ja in dem Song vielleicht gerne etwas Persönliches wieder zurück.

Kerim: Bei mir ist es „Go Out“. Der Song macht einfach gute Laune, macht Spaß und hat auch beim Produzieren Spaß gemacht, auch, wenn es anstrengend war, im Prozess mit dem Song dahin zu kommen, wo er jetzt letztendlich ist. Es fühlt sich einfach gut an, dass wir viel Arbeit investiert haben und dann auch wirklich was sehr geiles rausgeholt haben. Das ist für mich ein Song, der zeigt, dass, wenn man etwas wirklich will, dann klappt´s auch irgendwie. Man muss nur bereit sein, so viel wie möglich dafür zu tun.

Gibt es Momente, an denen ihr überlegt, etwas zu verwerfen oder bastelt ihr solange, bis es passt?

Michi: Dazu gibt es eine geile Story. Wir waren in Frankreich und haben an ganz vielen Ideen weitergearbeitet. Dann kam immer irgendwann der Punkt, an dem einer alles komplett hinterfragt hat. Irgendwann wurde das dann zu einem Gaudi-Satz. Aber letztendlich passiert das ziemlich oft, dass man im Prozess dann plötzlich überlegt, ob wirklich alles so geil ist, wie man am Anfang dachte.

Kerim: Schadet aber nicht, wenn man als Künstler selbst sein größter Kritiker ist. Klar, darf man sich auch nicht verrückt machen und die Gefahr ist schon auch immer da. Das ist ein bisschen das Negativ-Beispiel, wie es auch bei „Go Out“ hätte laufen können. Da haben wir es geschafft, lange genug an dem Song zu arbeiten, ohne es uns dann wieder kaputt zu machen. Manchmal tendiert man dazu, zu viel zu wollen und dann wäre man eigentlich schon an dem Punkt, an dem alles da ist, wo es hingehört. Dann macht man zu viel und macht sich dadurch wieder was kaputt. Das kommt ab und zu mal vor, dass man am nächsten Tag dann merkt, dass man zu viel wollte und in die falsche Richtung unterwegs war und dann wieder dahin zurückgehen muss, wo es eigentlich schon gepasst hat.

Timothy: Das ist eine große Kunst, zu checken, wann ein Song wirklich gut ist und nicht mehr besser wird. Ich habe vor kurzem ein spannendes Zitat von Jörg Hube gelesen, der gesagt hat: „Es ist eine Sache einen guten Song zu schreiben, die andere Sache ist zu wissen, wann ein Song fertig ist.“ Das ist wirklich so. Wir könnten uns jetzt ein Jahr hier reinstellen und weitermachen, Songs überarbeiten, neue Strophen schreiben, aber irgendwann wird´s halt nicht besser. Ich würde jetzt nicht sagen, dass wir die Master darin sind, das zu checken, aber mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür und ich glaube wir haben das mit den Songs von der neuen Platte ganz gut hinbekommen.

Michi: Schön gesagt! Was ist eigentlich dein Lieblingssong, Timothy?

Timothy: Zu meinen Lieblingssongs gehören auf jeden Fall die Songs, die ihr schon genannt habt. Ganz weit vorne ist bei mir aber auch „Alright“. Das ist eine Single, die wir schon im Sommer rausgebracht haben. Aber da finde ich einfach geil, wie der Song entstanden ist. Ich finde, man merkt einfach oft, dass es mit der Geschichte zusammenhängt, weswegen man einen Song gerne mag. Klar, muss sich der Song dann auch cool anhören. Aber für mich ist es einzigartig, wie „Alright“ entstanden ist. Wir saßen acht Stunden hier in diesem Raum und haben versucht, einen Song zu schreiben. Das hat überhaupt nicht geklappt, jeder war frustriert. Filou ist dann auch rausgegangen, weil wir einfach nicht weitergekommen sind. Wir waren an einem Punkt, wo es wirklich nicht cool war, wo man einfach nur dachte, wir gehen jetzt heim und lassen das mit dem Song. So Tage gibt es ja auch. Aber dann kam auf einmal diese Melodie wie aus dem Nichts. Dann hatten wir auch innerhalb einer halben Stunde den Text, was normalerweise so schnell nicht funktioniert. Wir haben den Song am nächsten Tag fertig produziert, also der ist dann wirklich super schnell fertig geworden. Ich glaube, das ist unser coolster Song auf dem Album.

Das ist auch mein persönlicher Lieblingssong.

Timothy: Cool!

Kerim: Das ist witzig, wir haben nämlich auch schon in einer Rezension gelesen, dass dieser Song ein künstlerischer Fehltritt war, weil diese Flöten völlig unpassend sind. Jeder hat seine eigene Meinung zu den Songs. Wenn du als Künstler alles auf dich projizierst, wirst du verrückt.

Michi: Man darf nicht zu viel darüber nachdenken. Einem meiner Schüler gefällt „Like A Dream“ am besten. Das hab ich noch nie von jemandem gehört. Irgendein Kritiker hat darüber geschrieben, dass dieser Song der Höhepunkt der Gleichgültigkeit ist. Das ist das beste Beispiel. Wenn du dir alles zu Herzen nimmst, was irgendwer schreibt, wirst du crazy.

Timothy: Ich finde es auch ein bisschen naiv, zu denken, dass eh jeder eine 10/10 Rezension über unser Album schreibt, das ist ein Schmarrn. Bei gewissen Medien nehme ich mir die Kritik schon auch zu Herzen, aber man darf das nicht zu nah an sich ranlassen. Du hast da so viel Zeit, so viel Liebe und so viel Energie reingesteckt, und wenn dir dann jemand innerhalb eines Absatzes alles kaputt macht, ist das schon verrückt.

Kerim: Du hast die Sachen ja auch nicht ohne Grund so gemacht, wie sie sind.

Musik ist ja immer Geschmackssache.

Michi: Voll.

Auf eurem vorherigen Album gibt es einen Song mit dem Titel „On The Run“, auf eurem neuen Album einen Song namens „Runaway“. Das scheint ein zentrales Thema für euch zu sein. Wie unterscheiden sich die beiden Songs in Bezug auf ihre Message?

Timothy: Wir sind halt immer noch am Laufen. Der Gedanke war lustig, diese Verbindung zu haben. Aber die Songs sind schon ganz anders. „On The Run“ ist vor fünf oder sechs Jahren entstanden. Das war die Zeit, in der wir dachten, wir machen jetzt wirklich was, wir fangen jetzt richtig mit der Band an. Das war einer der ersten Songs, die wir als Kytes rausgebracht haben. Das war ein Aufbruch, damit hat ein neues Leben für uns angefangen. Deshalb ist „On The Run“ ein Aufbruch-Song für mich. Würdet ihr das auch so sagen?

Michi: Ja auf alle Fälle.

Kerim: Das ist auf jeden Fall der Anfang von etwas.

Timothy: Und zu „Runaway“ haben wir ja bei der anderen Frage schon ein bisschen was erzählt. Da geht es eher um´s Weglaufen vor Situationen, die eben nicht so schön sind. Wir haben ein Video dazu gedreht, bei dem es uns wichtig war, dass darin Situationen vorkommen, die jeder von uns vor sich wegschiebt. Ich kümmere mich zum Beispiel super gerne um alles, was mit der Band zu tun hat, aber sobald meine eigene Steuererklärung daherkommt, hab ich keinen Bock. Das nervt mich und das schiebe ich dann weit weg, bis es halt doch irgendwann gemacht werden muss. Ich glaube, jeder Mensch kennt diese Situationen. Aber dann fanden wir es trotzdem cool, den positiven Gedanken am Wegrennen mit reinzubringen. Wenn man es geschafft hat, kommt der Neuanfang.

Damit habt ihr meine Frage eigentlich schon beantwortet, warum ihr Weglaufen nicht unbedingt negativ bewertet.

Michi: Das kann ja auch voll viel Leichtigkeit bringen. Wenn ich meine Steuererklärung heute nicht mache, kann ich stattdessen mit Freunden draußen sein und Spaß haben.

Wovor sollte man denn auf gar keinen Fall weglaufen?

Kerim: Ich glaube, die Frage ist immer, wie lange man vor etwas davon läuft.

Thomas: Steuererklärung. Lacht.

Kerim: Ich glaube, es gehört zum Prozess dazu, dass du das Anpacken manchmal erst zur Seite legen musst. Wenn´s dann unbedingt sein muss, kommst du zu späterem Zeitpunkt darauf zurück. Wenn du zu lange davon läufst, ist das natürlich nicht die Lösung der Dinge, aber kurzzeitig kann das schon eine Möglichkeit sein.

Michi: Ich glaube, man sollte nicht vor stressigen Situation davonlaufen, vor schwierigen Aufgaben, bei denen man noch nicht genau weiß, wie es laufen wird. Aber eher auf das bezogen, was du wirklich willst, nicht auf Aufgaben bezogen, die dir jemand vorschreibt. Wenn du etwas wirklich willst, solltest du auch stressigen Situationen nicht aus dem Weg gehen. Du wirst sonst nie weiterkommen. Dann steckst du irgendwann immer zurück.

Timothy: Wenn dir Dinge wirklich am Herzen liegen und du zurückstecken würdest, weil du diesem Stress aus dem Weg gehen willst, solltest du davor wirklich nicht davonrennen. Natürlich laufen wir auch nicht vor Sachen weg, die wir mögen, aber das ist ja irgendwie logisch. Vom Musikmachen würde ich zum Beispiel nie davonlaufen.

Euer Album trägt den Titel „Good Luck“. Was bedeutet Glück für euch?

Michi: Ich habe in einem Film was Geiles dazu gehört. Zwei Leute sind auf einem Date, lange passiert erstmal nichts und dann sagt der eine: „Also ich finde, das einzige, worum es im Leben geht, ist die Suche nach Glück.“ Der Typ hat Glück als eine Ressource beschrieben. Das ist natürlich eine Ressource, die immer da sein wird, aber sie ist trotzdem nie genug für jeden. Jeder versucht, Glück auf seine Art zu finden, ob in Geldform oder als Lebenspartner oder in der Kunst. Wir wünschen uns vielleicht einfach, dass genug für jeden da ist. Es wäre vielleicht auch genug für jeden da.

Kerim: Das ist eine gute Ansicht von Glück, weil es ja eher um´s Glücklichsein und -machen geht. Man kann Glück ja auch als etwas sehen, was man nicht kontrollieren kann.

Im Sinne von Schicksal meinst du, oder?

Kerim: Genau, faul sein und die Verantwortung abgeben. Es kommt darauf an, was du machst. Du musst für Sachen, die du willst, was tun. Ansonsten kannst du dich immer rausreden mit: „Da hat halt das nötige Glück gefehlt.“ Man tut so, als hätte man viele Dinge nicht selber in der Hand, was eigentlich nicht stimmt.

Timothy: Man muss dazusagen, dass wir uns beim Songs schreiben auch wirklich ganz viel unterhalten haben über Glück. Es ist ein Glück, dass wir das mit der Band machen können. Das gibt uns Glück. Durch das Musikmachen werden wir ja am Ende des Tages glücklich, das erfüllt uns. Ich finde „Good Luck“ dreht sich deshalb auch darum, dass wir mit der Musik unsere Erfüllung gefunden haben und super happy sind damit. Ich finde den Gedanken ganz cool, dass wir mit dem was uns erfüllt anderen Leuten vielleicht auch ein bisschen Glück geben können. Das ist ein schöner Gedanke, das zu machen was uns erfüllt und jemand anderen damit auch glücklich machen zu können, auch wenn´s vielleicht nur drei Minuten sind.

Michi: Vielleicht wünschen wir auch nur allen möglichen Menschen viel Glück, uns selbst natürlich auch mit unserem neuen Album und für die Zukunft.

Timothy: Das klingt so banal. Ich kann mich noch erinnern, als ich meinem Papa erzählt habe, dass wir unser Album „Good Luck“ nennen wollen. Er meinte: „Das hat man doch schon hundertmal gehört, das ist nichts Besonderes.“ Aber irgendwie finde ich es genau deshalb cool, etwas Banales zu nehmen, weil man das immer einfach so daher sagt.

Ihr wart international unterwegs, am Freitag spielt ihr ein ausverkauftes Tripple in München. Was kommt als nächstes oder was sollte als nächstes kommen?

Michi: Als nächstes kommt unsere erste eigene Show in London. Das ist super cool und bedeutet für uns wieder einen neuen step nach draußen. Wir wollen ja irgendwann nach England, vielleicht Amerika und Australien.

Timothy: Das ist natürlich „Reaching for the stars“, aber irgendwo muss man ja anfangen.

Michi: Man muss immer groß denken. „Wer klein denkt, verliert“, hab ich mir gerade mal ausgedacht. Lacht.

Timothy: Das ist ein super Slogan. Lacht. Danach spielen wir eine Tour in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dann kommen im Sommer natürlich auch viele Festivals, die wir nach unserer Tour ankündigen. Für den Sommer haben wir uns tatsächlich auch vorgenommen, neue Musik zu schreiben und vielleicht eine Sommer-EP zu machen. Intern haben wir nämlich darüber gesprochen, dass wir uns nach dem ersten Album viel zu viel Zeit gelassen haben, neue Musik zu schreiben. Es war natürlich sehr viel los, wir haben viele Festivals und Konzerte gespielt, aber diesmal wollen wir es schaffen, beides zu machen. Wenn es zwischendurch mal drei freie Tage gibt, dann nutzen wir die drei Tage und schreiben.

„Eurovision Songcontest“, hat ein Fan unter euer Video zu „Want You Back“ auf Youtube kommentiert, wäre das eine Option?

Timothy: Ich würde das nicht machen.

Michi: Doch. Ohne Scheiß, wenn sie uns wirklich fragen würden, würde ich schon darüber nachdenken. Ich fände es einfach cool, wenn die mal wieder was Echtes nehmen würden.

Timothy: LaBrassBanda waren doch schon mal dort und Lilly Among Clouds war doch letztes Jahr beim ESC.

Michi: Promo-technisch würde sich das schon lohnen.

Timothy: Das ist vielleicht schon verlockend, aber eigentlich entspricht das dem Ansatz, den man hat, wenn man keine Musik macht und das Ganze von außerhalb betrachtet. Das wäre ungefähr genau das, was mein Papa sagen würde: „Mach doch da mal mit, das wird der große Durchbruch.“ Dann hast du gefühlt vielleicht diesen Durchbruch, mit deiner Sendezeit auf den großen öffentlich-rechtlichen Sendern, zur Premiumzeit und vielleicht in dreißig Ländern, aber theoretisch kann es ja super schnell passieren, dass dich danach dann gar keiner mehr interessant findet. Du kannst dich als Band so richtig leicht verheizen. Darauf sind wir, glaub ich, nicht auf der Suche.

Timothy: Als gute Live-Band, die wir sind und sein wollen, verliert man mit sowas schon an Coolness und Kredibilität. Deshalb würde ich das erstmal nicht machen, aber never say never.

Kerim: Trotzdem wäre das in diesem Moment natürlich nicht einfach zu entscheiden. Das hat schon weitreichende Konsequenzen, die man sich einfach gut überlegen müsste.

In den letzten Jahren hat sich sehr viel bei euch getan. Ihr habt euch von der Schülerband Blind Freddy zu einer international erfolgreichen Band entwickelt. Wie hat sich euer Alltag seitdem verändert?

Timothy: Bei mir hat Blind Freddy nach dem Abi aufgehört, als ich meine Ausbildung bei Sony angefangen habe. Dann hat Kytes angefangen. Kytes ist auf jeden Fall die Weiterentwicklung. Das war die Entscheidung, noch mehr Energie reinzustecken. Wir sind alle an einem Punkt, wo wir festgestellt haben, dass es das einfach ist. Mit Blind Freddy haben wir angefangen. Wir haben viele Fehler gemacht, die uns aber auch geholfen haben. Das ist wie mit allem. Wenn man beim Sport Fehler macht, lernt man auch daraus. Deshalb schäme ich mich auch nicht für Blind Freddy.

Michi: Außerdem verändert hat sich, dass wir unsere Aufgaben klarer verteilt haben. Wer kann was, wer macht was und wer sollte wo seine Finger lieber aus dem Spiel lassen? Es ist insgesamt mehr zu tun, aber weniger Stress.

Timothy: Wir haben vor anderthalb Jahren unser eigenes Label gegründet. Mit einem fremden Label beschwert man sich immer nur. Ich kenne so viele Künstler, die nicht glücklich sind, egal ob bei einem Major-Label oder bei einem Indie-Label. Mit unserem eigenen Label müssen wir einfach selbst ändern, was uns stört. Wir können unsere Leute selbst aussuchen. Wir haben das Glück, das wir von der Initiative Musik gefördert sind und Budget haben für die Leute, mit denen wir arbeiten wollen.

Michi: Und wir haben gerade auch ein richtig cooles Team am Start, würde ich sagen.

Kerim. Finde ich auch.

Timothy: Man muss als Band und auch als Label darauf achten, dass man nicht immer nur mehr will, sondern auch checkt, was man erreicht hat. Wir haben das Triple in München ausverkauft, dann haben wir sofort überlegt, was wir jetzt noch machen könnten. Können wir das Konzert hochverlegen? Aber eigentlich müsste man sich erstmal freuen, dass man gerade 1600 Tickets verkauft hat. Das muss man erstmal genießen und dann geht es weiter. Das gleiche gilt für die Musik.

Michi: Ja genau, man muss sich über das freuen, was man geschafft hat.

Timothy: In anderen Städten geht es eben auch step by step. Es ist nicht so, dass wir ein Konzert vor 200 Leuten spielen und im nächsten Jahr vor 2000. Dafür ist Hamburg das beste Beispiel. Da haben wir zuerst vor 120 Leuten gespielt, dann vor 300 und jetzt vor 450 Leuten.

Michi: Darüber muss man sich dann auch freuen, statt sich zu ärgern, dass das Konzert zum Beispiel noch nicht ausverkauft ist. Das ist das schwierige, weil wir einfach ehrgeizig sind. Manchmal muss man aufpassen, dass das dann nicht zu reiner Gier wird und stattdessen mal zufrieden ist mit dem, was man hat. Und trotzdem muss man weitermachen und sich nicht nur darauf ausruhen, was man hat. Man muss eine Balance finden.

Was würdet ihr eurem jüngeren Ich raten?

Kerim: ich würde meinem jüngeren Ich empfehlen, mutiger zu sein und mehr an sich selbst zu glauben. Manchmal denke ich, dass die anderen eh so gut sind, dass ich überhaupt nicht mithalten kann. Aber bei vielen Sachen ist es einfach so, dass man es im besten Fall dann einfach kann, wenn man früh anfängt. Hätte man vor fünf Jahren zum Beispiel schon angefangen, sich damit zu beschäftigen, wie man Gitarren besser aufnehmen kann, könnte man das jetzt einfach schon viel besser. Kann sein, dass die anderen besser sind, aber wenn ich mich jetzt reinhänge, bin ich in 10 Tagen vielleicht so gut wie sie. Man muss sich trauen, anzufangen, und sich trauen, die Fehler zu machen. Das wäre mein Tipp an mich.

Michi: Ich würde mir raten, manchmal ein bisschen ehrgeiziger zu sein, vor allem musikalisch. Warum hab ich bei meinem Lehrer aufgehört, obwohl ich da noch geil hätte weiterlernen können? Ich hab mir keinen neuen Lehrer mehr gesucht und dachte mir, dass doch alles so passt, wie es gerade ist. Letztendlich habe ich mir dann gewünscht, dass ich noch weitergemacht hätte.

Timothy: Nenne deine erste Band nicht Blind Freddy. Lacht. Eigentlich läuft der Rest auf dasselbe raus, was die anderen schon gesagt haben. Noch mehr Musik wäre mein Rat.

Michi: Ich hab noch eine Sache. Nach dem Abi wär es geil gewesen, ins Ausland zu gehen, mit der Band zusammen vielleicht für ein halbes Jahr oder Jahr oder so. Das würde ich meinem jüngeren Ich noch mitgeben.

Was ist euer Markenzeichen? Wie würdet ihr euch als Band in drei Worten beschreiben?

Michi: Wir sind eine lebensfrohe Band.

Kerim: Ehrlich. Wir sind ehrlich, weil wir Mucke machen, auf die wir Bock haben und es zu einem großen Teil schaffen, Sachen von außen auszublenden. „Weil ich weiß, dass es funktioniert, mach ich es jetzt genauso.“ Ich finde, da sind wir zum Glück nicht so. Das ist vielleicht ein bisschen dumm, weil man vor so und so vielen Leuten spielen könnte, wenn man das so und so machen würde. Aber das wäre dann nicht mehr echt.

Timothy: Ich nehme energiereich noch dazu. Das würde ich sowohl auf die Live-Show beziehen, weil wir Gas geben auf der Bühne, als auch auf uns selbst. Jeder steckt enorm viel Energie in die Band. Ich glaube, das tun wir teilweise auch mehr als andere Bands, wenn man jetzt wieder fragen würde, was uns von anderen unterscheidet. Wenn ich morgens aufstehe, schaue ich als erstes, was es für die Band zu tun gibt. Das ist mein Alltag.

Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt! Toi Toi Toi für Freitag!

Timothy: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast!

Interview: Paulina Platzer