Allen Unkenrufen zum Trotz kündigten Kiss nach 47 Jahren Bandgeschichte unlängst eine Abschiedstour an. Auch wenn Gene Simmons gerne mit seiner Vision einer unendlich fortbestehenden Band hausieren geht (die Schminke und das Bühnenoutfit würden einen geräuschlosen Besetzungstausch durchaus möglich erscheinen lassen), hier nun dieser Schachzug. In Folge der Ansetzung stürzten sich Rockmusik-Anhänger wie die Fliegen auf den Ticketvorverkauf, denn zu ein paar großen Hits der Band hat wohl jeder schon einmal bewusst oder unbewusst die Hüften kreisen lassen und dies ein letztes Mal zu tun, wollte man sich nicht entgehen lassen.
Die gigantische Bühne wurde zu Beginn noch von einem schwarzen Vorhang abgedeckt, welcher das Kiss-Logo präsentierte. Nach dem Intro „Rock´n´Roll“ von Led Zeppelin wurde dieser erwartungsgemäß fallen gelassen und brachte ein ziemlich spaciges Bühnensetup zum Vorschein. Aus luftiger Höhe wurden drei diskusähnliche Plattformen herabgelassen, auf welchen jeweils die Herren Stanley (aka Starchild), Simmons (aka Demon) und Thayer (aka Spaceman) standen und mal gepflegt mit „Detroit Rock City“ loslegten. Ziemlich fett.
Diese Mischung aus Black Metal (dank Corpse Paint), Glamrock (dank Palletten und Plateauabsätzen) und handwerklich einwandfreiem Hardrock versetzte das Publikum umgehend in wohlige Extase. „Shout It Out Loud“ folgte und bei dem ein oder anderen Konzertgänger und Kiss-Debutanten sah man das Fragezeichen förmlich auf der Stirn aufblitzen („ist der auch von denen?“). Auch wenn die Band unterdessen wirklich – wenn man die weiße Farbe mal abgewischt hat wird es erkennbar – nur noch aus ein paar älteren Männern besteht, wurde jedes erhoffte Klischee bedient. Angefangen vom feuerspuckenden Demon bis hin zum ekstatischen Schlagzeugsolo von Eric Singer (aka Catman) bis hin zum blutspuckenden Demon. „Lick It Up“, „Psycho Circus“ und „God Of Thunder“ lebten in erster Linie von der hektisch inszenierten LED- und Lasershow, während per Leinwand immer mal wieder Snippets aus längst zurückliegenden Konzerttagen der Band präsentiert wurden. Ganz so agil waren die Musiker heute nicht mehr zu erleben, recht steif waren die Bewegungen im Vergleich geworden.
Nichtsdestotrotz glitt Frontsau Paul Stanley via Zipline über die Köpfe seiner Fans hinweg auf eine kleinere Bühne, mitten in der Menge. Von dort leitete er „Love Gun“ und den allergrößten Hit der Band ein: „I Was Made For Lovin´ You“. Da blieb wahrlich kein Auge trocken.
The Catman erwies sich anschließend als Ladykiller, indem er am Flügel sitzend die Leadstimme zu „Beth“ schmachtete. Das unumgängliche Ende wurde dann mit einem weiteren Evergreen beschlossen. „Rock And Roll All Nite“, ließ die Herzen der Kiss Army und auch aller anderen „Ich-muss-Kiss-wenigstens-einmal-im-Leben-gesehen-haben“ Konzertbesucher höherschlagen. Dazu wurden Kanonen mit rot weißem Konfetti in die Luft geblasen, welches noch Minuten nach dem letzten Ton im Himmel herumschwurbelte. Feuerwerk und Funkenfontänen inklusive.
„God Gave Rock´n´Roll To You“ ertönte aus der Konserve, dann war endgültig Schluss. Da konnte es einem schon etwas melancholisch zumute sein. Aber wen würde es wundern, wenn Kiss doch noch in eine Verlängerung gingen und die Musiker wie durch Zauberhand wieder breitbeinig von den Monitorboxen sprängen? (ODI)