Sicher – es könnte einem ein schlimmeres Ungemach wiederfahren, als an einem Montagabend, Mitte Oktober, mit dem Fahrrad zu einem Konzert zu fahren, weil die Klimaerwärmung scheinbar keine geregelten Jahreszeiten mehr zulässt.
Ähnlich abstrus sollte es am heutigen Abend während der Show von Livia Rita vor sich gehen. Die in London wohnhafte Künstlerin meisterte den Job des Support-Acts, in dem sie – spärlich bekleidet – zu clubähnlichen Rhythmen vom Plattenteller und aus den Synthesizern, offensichtliche Poesie in das schlecht besuchte Ampere schmachtete. Eine tolle Stimme, keine Frage. Mit, zu Zapfen toupierten Haaren und ihren fragilen Bewegungen wirkte die Sängerin überaus charmant. Eine Gehilfin schritt indes in verschiedenen Kostümen auf der Bühne umher, bemalte Livia Rita mit weißer Farbe, prustete Rauchwölkchen in die Nacht und brachte während den Songpausen die Bühnenbretter mit ihren hohen Absätzen zum Knarzen. Nicht immer erschloss sich einem der tiefere Sinn dieser Performance. Als Gegenpol der Mann an den Reglern, welcher in einer Art Seinfeld-Slacker-Look ungerührt die richtigen Beats vorlegte.
Nach kurzer Umbaupause schlenderte der allseits bekannte, rote Wuschelkopf auf die Bühne und nach kurzem Intro auf einer blitzeblank polierten, blauen Standharfe, präsentierte MarieMarie ihre neuen Songs dem Münchner Publikum. Sie wird so manches Gesicht in den Reihen wiedererkannt haben, gehörte sie bis vor einigen Jahren noch zur lokalen Münchner Szene. Seit sie auf den offenen Bühnen der Stadt Einzug gehalten hat, ist sie musikalisch natürlich extrem gereift und es ist wirklich schade, dass nicht einmal 100 Menschen den Weg in die Halle gefunden hatten. Viel zu ausgefeilt und mächtig sind die Stücke. Viel zu professionell die Art und Weise der Interpretation. Andererseits ist es irgendwie beruhigend, dieses Talent nicht bis auf alle Zeiten an den Eurovision Songcontest oder Dieter Bohlen verloren zu haben. Denn immer wenn MarieMarie etwas zu sagen hatte (was an diesem Abend nicht sehr häufig vorkam), erkannte man eine bodenständige und sympathische Frau, die genau für solche intimen Konzerte gemacht zu sein scheint. Die Musik berührt, die lasziven Bewegungen der 34jährigen wirken zerbrechlich und gleichzeitig wohl temperiert. Am schönsten waren die Momente, als MarieMarie ihr Instrument, die Harfe, spielte.
Am Ende durfte man sich über einen polarisierenden Abend mit viel Abwechslung und gut inszenierter Pop-Musik freuen – für einen lauen Montagabend, Mitte Oktober wirklich nicht schlecht.(ODI)