SLAYER – Into The Abyss

SlayerSo mancher Leser wird sich denken, dass wir es mit der reißerischen Zweitüberschrift zu diesem Konzert vielleicht etwas übertrieben haben. Seit mittlerweile eineinhalb Jahren bewegt sich jeder Slayer-Fan aber ganz nah am Abgrund, seitdem erste Gerüchte über das Ende der Thrash-Veteranen zur Realität geworden und die Termine für die Abschiedstour bekannt gegeben worden sind.

Der letzte Auftritt auf europäischem Boden wurde aberwitziger Weise für ein Open Air in Balingen angesetzt, aufgrund „logistischer Probleme“ [sic!] allerdings kurzum in die Hans-Martin-Slayer-Halle nach Stutgart verlegt.

Den Abend eröffneten die Neuseeländer Alien Weaponry mit ihrem, teilweise in Maori-Sprache dargebotenen Standartmetal. Aber da es sich um wirklich junge Burschen handelte, die auch anlässlich verheerender Inkompetenz des Tontechniker-Ensembles cool blieben und weiterhin eine Menge Energie versprühten, wird die halbe Stunde Stagetime positiv in Erinnerung bleiben.
Anthrax folgten erneut, waren sie während dieser Abschiedstour zum festen Bestandteil der Show geworden. Natürlich begnügten sich die New Yorker heute wieder mit einem bewährten Best Of-Set, welches von verdächtig vielen Metalfreaks in der Halle mit frenetischem Gemoshe quittiert wurde. Joey Belladonna hat immer noch eine Delle in der Bimmel, keiner stapft mit so großen Ausfallschritten über die Bühne wie Scott Ian und Frank Bello sieht noch immer aus wie 24jähriger Frauenheld. Keine Überraschungen also, dafür eine verlässliche Performance.

So wirklich wollte man sich heute aber nicht den vorgeschalteten Acts widmen, war die Uhr – je nach Blickwinkel – mittlerweile auf entweder fünf vor zwölf oder 666 gestellt. Ein letztes Mal drehten sich vier übergroße, auf einen schwarzen Vorhang projetzierte Kreuze in einer waghalsig zurückgenommenen Geschwindigkeit auf den Kopf, ein letztes Mal erschien das Bandlogo, ein letztes Mal fiel der Vorhang.

Leider ging heute vieles schief. So war der Sound in der Halle durchweg unterirdisch, teilweise ließen sich klassische Songs nicht auf Anhieb erkennen. Paul Bostaph schien ebenfalls zu schwächeln, denn der ansonsten stets so präzise Drummer gönnte sich heute den ein oder anderen unangenehmen Lapsus an der Doppelfußmaschine. Auch die Setlist hätte man für den heutigen, historischen Abend noch einmal etwas aufhübschen können. So verließen Slayer die Bühne ohne Songs wie „Jesus Saves“, „Altar Of Sacrifice“, „Antichrist“ oder „Die By The Sword“ gespielt zu haben. Dafür schweifte Tom Arayas Blick oft melancholisch über die Köpfe von tausenden Menschen. Er schien dabei, als fragte er sich ob die Entscheidung, dieses Leben bald hinter sich zu lassen, die richtige war.

Gary Holt und Kerry King indes meisterten den Abend ohne weitere Zwischenfälle, im Gegenteil: die beiden Gitarristen drehte heute noch einmal richtig auf, speziell der Exodus-Chef Holt wusste durch sein obercooles Mucker-Gehabe zu begeistern. Die Bühnentechnik pfiff für dieses letzte Konzert auf die deutsche Brandschutzverordnung in geschlossenen Räumen und so wurden unzählige Feuerfontänen zehn Meter in die Luft geblasen, während im hinteren Bereich, passend zu „Hell Awaits“ Flammenwände vor sich hin brutzelten. Ein Genuss.

Schnell ging es vorbei, während der brutale Pogopit noch immer aggressiv herumhüpfte, waren auch schon die letzten Noten von „Angel Of Death“ verklungen und Bostaph versorgte die Meute mit einem ganzen Strauß aus Drumsticks. Auch Gary Holt und Kerry King waren kaum von der hell beleuchteten Bühne herunterzubekommen. Tom Araya schritt wie ein Prophet von der rechten Bühnenecke zur Mitte und dann nach ganz links außen und hielt für mehrere Minuten an den jeweiligen Etappenenden inne. Er blickte einfach wieder in die Halle. „Good Bye“, daß waren Slayer´s letzte Worte in Europa.

Noch lange wird die Musik auf den Kopfhörer und aus den Lautsprechern unzähliger Rockmusik-Fans ertönen. Und noch sehr lange werden aktuelle Bands von den Einflüssen der Kalifornier zehren. Aber eines ist sicher: es wird nie wieder eine solch atemberaubende Live-Band mehr geben.

Danke Slayer, für die vielen Stunden, in denen Ihr uns seit unserer Jugend begleitet habt!(ODI)