Beflügelt von frühesten Jugenderinnerungen, als Mike Muir nach einem Konzert im Vorprogramm für Guns N Roses den Fotograben überwand, um einen Müllwerfenden Störenfried im Publikum in die Schranken zu weisen, freute man sich persönlich auf die Rückkehr der Crew aus Venice Beach, Californien. Standesgemäß wurde das Flanellhemd bis zum Kragen zugeknöpft und der Schirm des Suicidal-Caps nach oben gebogen – die Uniform aller ST-Jünger.
Den Abend eröffneten die Lokalmatadoren Bale, die jeder Backstage-Wiedergänger mindestens einmal schon gesehen haben dürfte. Egal, ihr Hardcore schiebt ordentlich an, die Halle war zu diesem Zeitpunkt nur leider noch recht leer.
The Idiots aus Dortmund folgten mit einem zweiten Support-Set. Frontmann „Sir Hannes Schmidt“ blickte mit weit aufgerissenen Augen ins Publikum, ätzte seine Texte in den Zuschauerraum („Idiot bis zum Tod“) und schwitzte was das Zeug hielt. Wirklich abnehmen wollte man ihm seine recht überschwänglich zelebrierte Rolle als politisch zwar korrekte, aber geistig etwas durcheinander geratene Figur nicht. Auch der Vortrag der übrigen Band war nur mäßig überzeugend. Beim Abschlußsong, einer Coverversion von „I Wanna Be Your Dog“ von den Stooges ging aber doch noch ein wohlwollendes Raunen durch den Saal.
Nach vereinzelten Zugabe-Rufen, füllte sich die Arena zusehends und nach immerhin einer Stunde Wartezeit, ertönte die allseits bekannte Melodie des berühmtesten ST-Songs „You Can´t Bring Me Down“. Mike Muir bellte „what the hell is goin´ on here“ in sein Mikrofon, danach gab es kein Halten mehr. Die Bandmitglieder stampften, hüpften und rannten wild auf der Bühne umher und das nahezu ohne einmal durchzuschnaufen. Nur wenn Cyco Miko wieder einmal zu einer längeren Rede an die Nation ansetzte um mit der Gesellschaft abzurechnen, ebbte die Energie im Backstage Werk etwas ab. Mit den klassischen Songs wie „I Saw Your Mommy“, „Send Me Your Money“ oder „Possessed To Skate“ und „War Inside My Head“ wurde wirklich jeder verfügbare Mitsing- und Pogonerv gereizt. Zwei Mal holte Muir das Publikum auf die Bühne und zeigte sich ansonsten sehr emphatisch und motivierend. Es gelang dem Suicidal-Mastermind das, was Schmidt vorhin nicht schaffte: er zeichnete ein authentisches Bild eines wütenden Mannes, der kluge Dinge zu sagen hat. Als Messias der Unterdrückten hatte Muir aber vor allem eines im Gepäck: viel Gefühl für die Gleichgesinnten. Weltklasse!
Mit „How I Will Laugh Tomorrow“ und „Institutionalized“ endete ein Konzertabend voller Härte, tanzbeinschwingender Menschen und einem vorzüglich aufeinander eingespielten, tighten Mainact. Eines der besten Clubkonzerte des Jahres! (ODI)