Im Jahr 2006 veröffentlichten Tool mit 10.000 Days zuletzt ein Studioalbum und seitdem ist es relativ still um das Quartett geworden. Während Sänger Maynard Keenan mit seinen nicht minder bekannten Bands „A Perfect Circle“ und „Puscifer“ vielbeschäftigt war, hielt sich der Rest der Formation wie gewohnt im kaum zu ergründenden Hintergrund auf. Überhaupt stehen Tool nicht gerne in der Öffentlichkeit, so kann man nach ihren Songs auf diversen Streamingdiensten vergebens suchen und auch Livemitschnitte ihrer vielumjubelten Shows sind Mangelware. Und so eilte dem heutigen Ereignis die Pressemitteilung voraus, dass das fotografieren und filmen der Show strengstens untersagt sei, bei Zuwiderhandlungen würde sich die Band eine Unterbrechung oder gar den Abbruch des Konzertes vorbehalten.
Erstaunlicher Weise hielt sich das Publikum nahezu dogmatisch an diese Anweisung, erst als Keenan vor dem letzten Song des Abends (natürlich „Stinkfist“) dem Securitypersonal die Verfügung erließ, dass das bedienen der Mobilfunkgeräte zur audiovisuellen Aufzeichnung nun gestattet sei, reckten sich doch noch einmal hunderte von Händen in die Höhe, das Smartphone am Anschlag.
Bis zu diesem Moment war aber zuvor einiges geschehen. Die Band war sich nämlich auch heute nicht zu schön, alles an Klassikern aus den vier Platten vorzutragen, nur auf den Überhit „Sober“ wurde erneut verzichtet. Die ganz großen Momente erlebte man während „The Pot“, „Schism“ mit seinem berückenden Intro oder auch dem stampfenden „Jambi“. Mehr als 13 Lieder brauchte es heute nicht, um das Publikum erneut wie eingefroren auf die Bühne starren zu lassen (immerhin gibt es nur wenige Tool-Songs, die nicht an die Zehnminuten-Marke reichen). Gut, der ein oder andere Luftschlagzeuger war natürlich anwesend. Im Prinzip herrschte aber andächtig kollektives Staunen. Die an den Nerven zerrende Lightshow, welche wie Arsch auf Eimer zu jedem verzwickten Rhythmus und jedem kranken Break angepasst war, tat ihr Übriges. Keenan war über lange Strecken gar nicht zu sehen, da er sich dezent und mit gebückter Körperhaltung irgendwo vor der stets flimmernden LED-Wand im Verborgenen hielt. Dieses Understatement kennt man aus einer Reihe Videoclips der Band, welche gänzlich ohne Präsentation der Musiker auskommen. Ein ganz Großer ist natürlich Drummer Danny Cary, welcher mit Justin Chancellor am Bass eine unwiderstehliche Symbiose aus Härte und Virtuosität eingeht. Das Riffbetonte Gitarrenspiel von Adam Jones macht Tool aber erst zur Rockband, die eben nicht nur Progressive-Anhänger begeistern kann sondern auch Freunde der metallischen Gangart in Verzückung bringt.
Es lassen sich kaum Worte finden, die die kosmische, überbordende, in jeglicher Hinsicht pathetische Show passend beschreiben würden. Der Sound war glasklar, zu jeder Minute.
Selten erfüllt einen das Nerd-Sein mit mehr Schmerz und Einfühlsamkeit. Und niemals ist das Nerd-Sein so cool. Bleibt nur zu hoffen, dass die Gerüchte über ein anstehendes Album keine Gerüchte bleiben und man sich auch noch die nächsten Jahre mit dieser großartigen Band befassen darf.(ODI)